Hauptseite Der Rausfahrer-Report

6.2.00: In den Südosten, Scharmützelsee, Beeskow, Schlaubetal, Neuzelle, Grießen und Peitz

Vom GPS aufgezeichnete Strecke,
mit Waypoint+ geplottet

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Die Richtung Süd-Südost wurde schon lange nicht mehr eingeschlagen - also los. An erster trockene Kurven!Stelle war das Wetter erwähnenswert. 14 Grad waren avisiert, das subjektive Empfinden meldete eher 16 Grad. Dazu Sonnenschein und knallblauer Himmel, also spricht nichts gegen eine längere Rausfahrt, was auch immerhin 11 Rausfahrer auf 9 nicht nur stollenbereiften Moppeds so früh aus den Federn gelockt hat. Am Ende der improvisierten Tour waren es 330 km. Der Reihe nach: Die frühe Stunde verhinderte bei dem/der einen oder anderen ein Frühstück. Dieses wurde, nachdem wir über Blankenfelde, Königs Wusterhausen und Storkow nach Wendisch Rietz kamen, vorm Märkischen Büfett am Bahnhof eingenommen. Das dürfte der einzige "Bikertreff" (wie hasse ich diese Wortschöpfung!) in Deutschland sein, das a) den ganzen Winter über offen hat und b) auch im Februar bewirtschaftete Sitzgelegenheiten im Freien bietet. Der Wirt betätigte uns jedenfalls, dass wir die erste Gruppe diese Jahrtausends gewesen sind. Eine Helmbewertung findet angesichts des speziellen "Bikerambientes" nicht statt. Es gibt Dinge, die nicht mit Helmen auszudrücken sind.

Beeskower BurgturmDann wurden die wenigen, aber seit Wochen zum ersten mal trockenen und granulatfreien Kurven ausgekostet, um die Lehmreste auch von der letzten Reifenrille zu bekommen und um das eingesickerte Streusalz aus den Bremsbelägen zu brennen.

In Beeskow steht eine Burg, auf dem Burghof ein Turm und auf dem Turm standen die Rausfahrer. Ganz schön eng auf den 3 Quadratmetern Aussichtsplattform! Der Turm ist nicht hoch, im Kontrast zur flachen Landschaft bietet er aber einen hervorragende Ausblick auf die sich durchs Land schlängelnde Spree und aufs Städtchen mit seinen Kirch- und Wehrtürmen. Auf die Empfehlung des Museumsmenschen (gute Fischrestaurants am Spreeufer) wurde nicht eingegangen. Erst wollte die Currywurst vom Märkischen Büfett verdaut sein.

Irgendwann stand links der Straße ein Hinweisschild nach Siehdichum. Wie bitte? Noch mal umsehen... Eine holprige Straße (bestimmt im vorletzten Jahrhundert gepflastert) durch einen Teil des Schlaubetals. Immer an einem Wasserlauf - der Schlaube natürrlich - entlang, mit vielen wegen des nassen Laubs auf knubbeligem Findlingspflaster sehr vorsichtig angegangenen Kurven, Objects in mirror..führt zu einem Ausflugsrestaurant hoch über umgebenden Seen. Dieses Restaurant steht zum Test im Sommer an. Aber wo wurde gegessen? Gemach!

Erst musste Eisenhüttenstadt, durchquert werden. Die in den 50er Jahren gebauten "Arbeitersiedlungen" erinnerten an die ein wirklich fortschrittliches Konzept verkörpernden Wohnbauten in der Frankfurter Allee in Berlin, wo neben ausreichend Wohnraum auch durchdachte Gemeinschaftsanlagen und eine gesunde Mischung aus Geschäften und Freizeiteinrichtungen geschaffen wurden. Jetzt sahen die frisch renovierten Häuser aus, als würden sie sich unmittelbar vorm Dahinsiechen einer sich langsam entvölkernden Region noch einmal geschminkt haben. Die nicht-glatzköpfige Jugend ist schon geflüchtet, denn am geographischen Ende Westeuropas scheint auch allen Beteuerungen zum Trotz das Investitionsende gekommen.

Als hier noch "produzierendes Gewerbe" ansässig war, waren auch die Schmarotzer nicht weit. Wir sprechen vom 13. Jahrhundert! Die damalige Wertschöpfung wurde vom Klerus abgeschöpft und in Kloster- und Kirchbauten gesteckt. Ein Zeugnis davon steht auf den Höhen am Zusammenfluss von Oder und Neiße - in Neuzelle. Nein, nicht Bayern!Hier sieht man deutlich, dass das in Preußen verpönte Spielerische plötzlich "erlaubt" war. Die ganz in Weiß und Stuckmarmor (Kunst-Marmor) ausgekleidete Klosterkirche ist absolut sehenswert und steht im heftigen Kontrast zu den in der Umgebung Berlins stehenden Backsteingotik- und Feldsteinkirchen. In den 50ern wurde die Errichtung von Kleingärten höher bewertet als der Erhalt des klösterlichen Kräuter- Obst- und Gemüsegartens. Noch heute stehen die Lauben neben der Orangerie des Parks hinter der Klosteranlage. Zwischen Kloster und der Schwarzbierbrauerei (sorry, aber Bier darf das Getränk wegen der Zuckerrübenbeimischung nicht mehr genannt werden) befindet sich ein Restaurant, das mit Essensqualität und Service im Mittelfeld liegt (2,5 Helme, Fliegen gibt es zu dieser Jahreszeit nicht). Auf unser Ansinnen, wegen Überfüllung auch gerne an die noch nicht aufgestellten Tische im Vorgarten auszuweichen, ging man nicht ein. Naja, Februar...

Die Lust am Fahren hielt an. Nächste Station: Ein 1923 in Betrieb genommenes Wasserkraftwerk unterhalb von Grießen. Wasserkraft aus Neiße im SonnenuntergangHier wird die Abkürzung zweier Mäander der Neiße genutzt, um aus drei Meter fuffzich Gefälle Strom zu gewinnen. Das Wehr mit der darauf erbauten Maschinenhalle aus Klinkern ist ein typischer Vertreter der zu dieser Zeit aufgekommenen nüchternen Bauweise mit sparsam eingesetzten Art-Deco-Elementen. Ich erinnere mich, dass hier im Sommer ein Biergarten existierte. Eine Empfehlung für ein entspanntes Stündchen im Abendlicht am Ende der Welt. Seit 1992 wird die im Krieg zerstörte Anlage wieder betrieben, als Feigenblattargument gegen den Vorwurf, dass zu wenig erneuerbare Energielieferanten eingesetzt werden. Immerhin hat Brandenburg neben Schleswig Holstein die größte Windenergieanlagendichte.

Leider dunkelt es im Februar zu früh, Durch das berühmte Horno (Vorsicht Dosenfahrer! Hier wird in der Tempo-30-Zone noch vorm Niedermachen des Dorfes mittels Blitz von vorn abkassiert!) ging es nach Peitz. Über das im Winter geschlossene und hochinteressante Hüttenmuseum werden wir im Sommer berichten. Dann nach Lieberose. Dabei wird die Lieberoser Kalahari durchquert, ein Truppenübungsgelände, das so zerfahren wurde, dass dort kein Halm mehr wächst. Der Wind hat dafür gesorgt, dass eine topfebene Sandfläche á la Ténéré übrig blieb. Neben der Bundesstraße wurden von der Nordsee bekannte Buhnen aufgebaut, um die Straße vor Sandverwehungen zu schützen. Wie einigen der Rausfahrer bekannt, sind diese Hügelchen auf ganz anderen Kontinenten wesentlich gefährlicher als hiesige Alleebäume. Die Straßenmoppedfahrer haben am Straßenrand geduldig gewartet, bis die Stollenritter sich wieder bewusst wurden, dass KTM 'ne gute Wahl war.

Der Februar, der tagsüber vom Wetter nicht ernst genommen wurde. gewann mit der Dunkelheit wieder Einfluss. Die Heizgriffe wurden wieder vom durch fossile Brennstoffe erzeugten Strom durchflossen, andere versuchten, mit verkrampfter Fahrhaltung der Kälte auf den vor uns liegenden 130 km Landstraße über Halbe und Zossen zu trotzen. Im Marinella war dann wieder Entspannung angesagt.

Eine neue Regel schleicht sich ein: Beim Tourabschluss im Marinella sind regelmäßig mehr Rausfahrer anwesend als bei der eigentlichen Tour.

Peter G


Im Detail

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