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Meine letzte Fahrt von der Hauptstadt in mein trautes Heim war ein kleines Abenteuer, an dem ich Euch jetzt teilhaben lassen will.
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Vier Tage (für Wochen) Reise auf dem Weg aus der Hauptstadt zurück in die Wüste, die in diesem Augenblick so sehr ihr wahres Gesicht hinter grün und Leben versteckt, daß es dem Durchreisenden ebenso unmöglich ist, beim Anblick dieser wundervollen Landschaft überhaupt nur einen Gedanken an Wüste zu verschwenden, wie sich jemals wieder Wüste an deren Platz zu denken, da die Verwandlung eben so unvorstellbar ist. Verwachsen mit dem TOYO, manchmal irre cool irgendwelche waghalsigen Manöver durchführend und andererseits ständig wie unter Strom, gingen Stunden hypnotisierender und soghafter Bewegung vorbei. Ums mal vorwegzunehmen: Ich bin angekommen und wieder zu Hause in meinem anderen Leben in Abéché:
Regenzeit! Wassermassen stürzen stundenlang vom Himmel, begleitet von einem Feuerwerk voll mit Licht und Getöse aus Blitzen und Donner. Der Himmel tanzt und Wind gibt den Takt dazu an. Wüstensand verwandelt sich in saftiges grün, es poppt, sprießt und ruft und alle machen mit. Wo eben noch Sand war ist jetzt ein großer See, der badenden Bäumen und Sträuchern als Spiegel dient. Alles ein atemberaubender Anblick; ob in morgendlicher Frühe oder rötlich schimmerndem Abendlicht. - Ich mag beides, verlängerte aber lieber die Zeit der Dämmerung: mein Lieblingshimmel, der die Nacht sachte ansagt, mal Schäfchenwolken schaukelt mal weiße Streifen zieht und damit den ganzen Himmel verklärt, sich im großen Finale in vielen Farben bettet. Einmal Nacht sein dürfen und diese großartige Liebeserklärung hören können! Sehr gewöhnungsbedürftige glitschige Lehmpampe oder große Pfützen schon in N'Djaména ausprobiert, nasse oder überschwemmte Gegenden durchfahren, vorbei an eingefallenen Häusern, Menschen mit sorgenvollen Gesichtern im krassen Gegensatz zu planschender Freude. |
Es hat die ganze Nacht geregnet und ich habe kaum geschlafen; dem Trommeln auf dem Dach lauschend und dem grollenden Wetter mit Bildern im Kopf folgend. Hier angekommen und zurückgedacht war die Reise ein großartiges Erlebnis mit Happy End. |
Die Reise geht los: Wer fährt mit?: Timon, Ferdinand, Victorine mit mir im TOYO hinterher, Guillaume, Astrid, Adoum, Oumar, Ngéré im geschlossenen Land Cruiser mit Schornstein vorneweg. Wegen Packerei und Festgezurre von reichlich Gepäck, verspätet um 10.00 vom Büro aus losgekommen. Ich habe Schmetterlinge im Bauch und rauche viel. Am großen Markt und der großen Moschee im Zentrum von N'Djaména vorbei, kurzer Stop zum Brotkauf, dann auf den hier ganz neuen Asphalt. Schon ca. 40 km weiter hat der sein Ende und mein TOYO HILUX 2.8 D double cabine rumpelt über die Krater im Asphaltgebrösel. Knirschend, knackend beißen die Räder, wir tanzen, rutschen, hoppeln, springen und glitschen, einig um vorwärts zu kommen. Schon nach 60km die erste Regenbarriere, die die Weiterfahrt bis 15.00 einschrankig verbietet. Es ist 11.00. Wir haben zum Glück eine Straßenbenutzungssondererlaubnis 3. Klasse vom Ministre de transport, die uns 3 Stunden des Wartens erspart; um 12.00 können wir los. Bis dahin gibt es viel zu sehen, Leute kommen und bieten Tee, Hühner (tot oder lebendig, gebraten oder auch nicht), gekochten Mais und Baigners. Alles versammelt sich unter dem einzig nahen schattenspendenden Baum, Schuhe aus und draufgesetzt; die Stunde dauert nicht so lange. Wieder auf die zunächst noch akzeptable Piste gelassen, rollen wir mit 50km/h über holprigen sandigen Untergrund, der naß wie Beton und ausgeschlagen von unzähligen tonnenschweren Lasten ist. Langeweile kommt nicht auf, schon 30km weiter wird der Boden schwerer, große Pfützen mittendrin, unklar welche Wassermenge eine jede hält, balancieren wir so gut wie möglich außen herum. Ein voll beladener Peugeot 504 PickUp holt auf und will überholen, Taxi brousse mit bestimmt 40 Leuten auf Unmengen von Taschen und Säcken. Die entgegengesetzte Regenbarriere hat sich offensichtlich auch geöffnet, denn nun arbeiten sich in Reih und Glied mehrere Fahrzeuge durch den schweren Boden, immer in der selben Spur, weil es kaum möglich ist, diese zu verlassen, uns entgegen. Wir stehen uns gegenüber, schaffen das Ausweichen und rutschen haarscharf aneinander vorbei. Mein Herz klopft bis zum Hals. Jetzt überholt der Peuschi und findet eine neue Spur, rechts von uns. Die Piste ist nun keine mehr, tief klaffende schwarze Spuren dirigieren unseren Weg, der LandCruiser schaukelt immer voran - und steht! Da entlang geht es für mich also nicht weiter. Sandbleche runter, Schaufeln raus, Buddeln und Wasserschöpfen, den langen 4x4 rein, nix geht. Ich suche und finde einen anderen Weg. Das Seil, das Kräfte und Autos verbindet macht der ganzen Aktion ein schnelles Ende. Schmatzend rollen wir weiter durch wäßrige Wiesen, verschiedenen Spuren folgend. Eine Marabufamilie läßt sich von uns nicht beeindrucken und dreht nur vereint die Köpfe. Ich fahr' dem Cruiser immer hinterher, verstehe dabei nicht, wie es möglich ist, bei diesen Richtungswechseln die Orientierung zu behalten. Ich vertraue auf den Chauffeur und mir bleibt auch nichts anderes übrig. So fahren wir stundenlang, nicht schneller als 40-50 km/h. Kurzes Anhalten präsentiert mir die optische Täuschung, daß alles weiterhin auf mich zu kommt; so sehr bin ich in der Bewegung drin. Die Augen haben zu tun, den Stillstand zu akzeptieren und ich gucke erstaunt 2 x hin, teste sogar, ob ich wirklich stehe. Ich ziehe die anderen an diesem Tag noch einige Male heraus, unspektakulär. Wir rauschen schmatzend einfach Spuren hinterher. Die kurze Dämmerung ist schon da; ich bette mich darin, inzwischen schon wesentlich cooler, staune die sich spiegelnde, glitzernde Landschaft an und meine Augen scheinen zu atmen und zu trinken, als ob die Pupillen ganz weit sind und mehr Platz machen um was reinzulassen. An diesem Tag will nur noch eine letzte Hürde, ein Schlammfeld von ca. 50m Durchmesser, genommen werden, bevor wir es dann auch für heute genug sein lassen. Mitten im Schlamm arbeiten schon andere um ihren TOYO (so'n alter, knuddliger mit persönlicher Note in blau mit viel Kinkerlitz) wieder frei zu kriegen; da geht's also nicht lang. Der Cruiser vor mir nimmt Anlauf und arbeitet sich mit mächtigen Schlinger- und Schaukelamplituden durch, rundherum schießt Wasser in dickem Schwall nach überall - durch. Ich hole kurz Luft und schlösse am liebsten die Augen, es geht eh nur gerade aus und was kann schon mehr passieren, als daß ich stecken bleibe? Da macht mir das Geglitsche plötzlich Spaß und wir schlingern sicher durch den fettigen Schlamm. Durch ziehen fanden auch die anderen schnell die andere Seite. Die waren ganz schön erleichtert, hatten sie doch schon Stunden gebuddelt und alles versucht. Gemeinsam schlagen wir unsere Nachtlager auf. Wir sind auf einem riesigen Sandfeld, das sich gewellt wie Meeresboden so weit das Auge reicht, ausbreitet. Der Himmel grinst und glänzt mit lauter Sternen und Papa Mond ist voll. In der Ferne Feuerwerk am Himmel, so weit, daß man das Donnern nicht hört. Guillaume und Astrid haben Pastis dabei. Wir sitzen zusammen und plaudern, was so an uns vorbeigezogen ist und wie sich wer in welcher Situation gefühlt und ausreagiert hat. Alle sind müde! Rein in den Moskitodom, Kopf ins Sternkissen gekuschelt und in einen mückenungestörten Tiefschlaf gesunken, Radiokulisse - von 4 Seiten unterschiedliche Sender - ich werde mitten in der Nacht von angestrengtem Motorensound geweckt, das sich uns nähert, denke noch: "der wird doch jetzt nicht in das Loch reinfahren?" da war's auch schon passiert. Das Seil hat für heute ausgedient, wir verschieben die "Hilfsaktion" auf morgen. Wir sind nur 286 km gefahren. |
Noch nicht einmal 6.00 und rundherum raschelt es geschäftig. Wie gewöhnlich will ich davon morgens nicht so richtig was wissen und genau genommen macht mich diese Geschäftigkeit sogar nervös. Vorsichtig auf die andere Seite gedreht, kommt es aber trotzdem 1 Minute später zum Wecken. Na schön. Die anderen noch eben aus'm Loch gezogen und um 6.30 losgebrettert, das Ende vom Sandfeld doch noch entdeckt, tauchen wir wieder in durchtränkte Wiesen, die nun, noch extra frisch vom Morgentau, in kalter Sonne stehen. Im Rückspiegel und vor mir so ziemlich das gleiche Bild: sich aufwerfend dahinschlängelnd in schwarz durch saftiges grün, der Trasse hinterher und eine hinterlassen; man nimmt einfach immer die neueste, das ist auf jeden Fall eine Strategie, die ich akzeptieren konnte: eben war hier noch wer, warum also nicht einfach hinterher und mal gucken, wo wir landen? Die Wahrscheinlichkeit, jemanden zu treffen nimmt auch zu. - Vorbei geht es an märchenhaften Wiesenseen. Wir haben die Gelegenheit, alles von allen Seiten zu betrachten, weil der Weg mal im weit ausgeholten Rechts- oder Linksbogen oder einfach im Kreis geht : auf der Suche. Die findet abrupt auf einer Anhöhe ihr Ende - rundherum nur noch Wasser; es geht ein ganzes Stück zurück, aussteigen, rumlaufen, gucken, diskutieren, entscheiden und weiterfahren. Diese Prozedur wird zum Heiligtum und wiederholt sich an diesem und an den folgenden Tagen. Wir schrauben uns rhythmisch schwankend, holprig schaukelnd durch die nun tief gewordenen Spurrillen (hier versteht man erst, was das Wort bedeutet!), die uns zweifellos den Weg vorgeben. Es geht nur noch so, wie es andere vor uns gemacht haben. Ich schreibe das alles übrigens im Trocknen, während sich im Himmel schwer beladene Wolken entladen, Zwölfspänner rumpelnd durch widerhallende Bergschluchten rasen, es ist als brächen laut krachend Achsen aber die Wagen rasen weiter, Regen prasselt dröhnend trommelnd auf das Autodach, Wind haucht durch das spaltweit geöffnete Fenster. Den ganzen Tag total konzentriert, damit kein "fault pas" passiert, durch Regenzeitdörfer (die nenne ich so, weil die mal eben zur Regenzeit aufgestellt werden, um Felder "en famille" zu bearbeiten) in Berglandschaften. Wenn nicht alles so extra naß wäre und sich noch ein paar Tannen hinzugesellten, könnte das hier auch Europa sein. Dann passieren wir wieder eines dieser aufgestellten Dörfer; es haben sich wohl mehrere Familien zusammengetan und ich habe den Eindruck, dieses Dorf ist immer da. Timon weiß es nicht. Der Cruiser vor mir läßt sich unverständlicherweise von einem Müllhaldenschlammloch einladen, aus dem er dann allein nicht mehr herauskommt - aussteigen mitten in die Pampe ist auch schlecht, der Gestank unbeschreiblich übel - Seil befestigt und gleichmäßig gezogen finden wir umgehend einen gastlicheren Weg aus dem Dorf heraus (man muß eben nicht immer mitten durch!). Stop und Tee trinken in N'Djaména Boulala; so 320km haben wir uns also schon von N'Djaména entfernt. Die Crew hat Hunger und die Pause dehnt sich aus; zahlreiche Schleiermädels bringen was das Dorf an Köstlichkeiten bietet und reihen sich brav nebeneinander auf; immer kommt noch eine dazu und schließlich gibt's ein befreiendes Gelächter darüber, daß schließlich jeder sein Geschäft machen will. Auf einer Matte, gelehnt an warmen Lehm, kann ich Gast und Zuschauer zugleich sein. Dem Schauspiel des Markttreibens schauen wir eine halbe Stunde zu während des Genusses zweier süßer Tees. Auf zur nächsten Etappe und der TOYO wird jetzt wahrhaftig zum Schiff. Bis zum Hals im Wasser, schieben wir durch von Wiesen und Sträuchern gesäumte Kanäle. Der Cruiser , dessen Weg ich mit aufgerissenen Augen und offenem Mund verfolgt habe, ist losgerauscht und schon längst verschwunden; die anderen sind einfach losgeschossen, so kann ich schlecht die Wassertiefe einschätzen; es sieht auf jeden Fall beeindruckend viel aus. Ich entschließe mich hinterher zu fahren, hypervorsichtig, so als gäbe es einen halben Gang und der ist jetzt drin, lasse mich durch die unsichtbare Spur unter mir leiten. Ich spreche innerlich mit dem TOYO: "immer schön Luft reinsaugen sonst ist hier das Ende"; nach ca. 4km "Kahnfahrt" sehe ich schon die anderen auf mich warten und bald haben wir wieder festen Boden unter den Füßen und der TOYO und ich haben jetzt noch was gemeinsam: nasse Füße! Noch ein wenig gefahren, halten die anderen an. Es sind mysteriöse Geräusche aufgetaucht, was es zu kontrollieren gibt. Ich nutze den Moment um Trinkwasser zu tanken. Nach schon 10 Minuten wird entschieden, daß das Geräusch nur so da war und vielleicht Sand irgendwo hereingekommen ist, es quietscht und ächzt, wir fahren erst einmal weiter. Der TOYO macht auch lauter Geräusche: Quietschen, Knarren, Pfeifen, rhythmisches Gequieke und Gerassel mit der Reifenbewegung. Alles was mal gefettet war ist jetzt rausgewaschen, in der dampfenden Hitze fahren wir uns trocken. Erneut tun sich Wasserstraßen auf, die ohne Übermut ganz sacht von uns genommen werden. Beinahe magisch gezogen geht es voran, der Cruiser immer weit vorn, Wassermassen vor und neben sich herschiebend. Ich denke an die kleine Lok, die schnaufend den Berg doch noch schafft und bergab erleichtert atmet: "ich hab's geschafft, ich hab's geschafft"! Mir kommt das alles unwirklich vor. Es ist, als bewegte ich mich in einem Traum durch einen irren Film, der noch lauter neue Abenteuer zu bieten hat. Aber ich bin ganz wach und stimmt schon alles. Inzwischen wesentlich sicherer bin ich bis zum Hals mit wohligem Gefühl und Adrenalin angefüllt - geradezu berauscht! - Der Tag ist verflogen und schon taucht alles wieder in bezauberndes Licht, hier muß es einfach Elfen und Gnome geben, die sich gleich wenn die Nacht kommt mit den Sternenkindern tanzend vergnügen werden. Der Mond schaut schon mit vollem Grinsen und blickt auf die ungeduldig blinkenden Sterne, die sich jetzt einer nach dem anderen zeigen. Es ist 16.30 und die Sonne ist noch da, wenn auch nur noch als indirekte Beleuchtung in rot. Vor uns tut sich ein gewaltiges Schlammfeld auf, das durchwühlt, zerfurcht und aufgewallt bereits einige Besucher zu Gast hatte. Abgewartet bis die anderen draußen sind, schiebe nun auch ich den langen Gang rein und starte zum Tanz; der wird bedauerlicherweise durch ein großes Loch jäh unterbrochen und ich stecke in einer Schräglage von 45 Grad mit der linken Seite voll drin; es stinkt nach ausgelaufenem Diesel von hinten und nur rechts kann noch ausgestiegen werden. Alles verläßt "das sinkende Schiff", trottend sehe ich die anderen mit hängenden Schultern nahen: jetzt muß geschoben werden, was tatsächlich mit hilfreichem "Schneeschaukeln"( das kenne ich nämlich nur aus'm Winter, wenn ich mich aus dicken Schneehaufen wieder herausschaukeln wollte) gelingt. Gegenseitig anfeuernde Rufe vereinen alle Kräfte und befreien uns aus der bedrohlichen Schräglage. Wir heben uns aus dem Loch, schlingern im langen Gang bis zum Ende des Wadis dem festeren Boden entgegen und erreichen diesen mit einem Aufatmen meinerseits. Zufrieden angekommen sind es nur noch wenige Kilometer bis nach Ati; jusqu'à là ça va. Die ganze Fahrerei von heute hat uns nur 207km weiter gebracht. Noch ein kurzes Luftholen vor der Weiterfahrt und Timon stellt fest, daß seine Aktentasche sich nicht mehr an dem von ihm vermuteten Platz befindet! Ich frage ungläubig, weil ich bei jedem Halt die Tasche in seinen Händen gesehen und ihm bereits vorgeschlagen hatte, dieselbe doch lieber im Auto zu lassen; er befand sie als sicherer gleich neben ihm und nu' war se weg! Zunächst habe ich verstanden, daß er sie auch, als ich im Schlamm steckte, wieder herausgeholt hatte, aus Angst, sie könne naß werden. So ließ ich ihn gemeinsam mit Ferdinand und Victorine losstapfen. Verträumt auf die Schlammstrecke blickend, nehme ich die drei schon weit entfernt wahr und glaube nicht, was meine Augen sehen: die drei gehen immer weiter! Jetzt trottete uns Victorine entgegen um die sensationelle Mitteilung zu machen, daß die anderen beiden nicht wieder zurück kommen werden, bevor sie nicht den Aktenkoffer gefunden hätten. Da traute ich nun meinen Ohren kaum und es dauerte einige Zeit, bis ich außer mir vor Ungläubigkeit Fragen über Fragen heraussprudelte, Victorine damit geradezu bombardierte. Okay, es tat Not keine Zeit zu verlieren! Somit half gar nix, einer von uns mußte noch einmal Anlauf nehmen und das Feld abermals durchqueren um die beiden Irren zurückzuholen. Der Versuch lief schief; es dauerte 'ne ¾ Stunde, bis wir den Cruiser wieder befreit hatten, rückwärts nur. Da es jetzt ohne Nachsicht dunkel wurde und es auch noch anfing zu regnen, beschlossen wir gemeinsam, den Ort heute nicht mehr zu verlassen und zu hoffen, daß die beiden sich besönnen und wieder zurückkämen. Wir sammelten Holz,, berieselt von weichem Regen und begleitet von fernem Gewitter, um ein Feuer zu zünden und damit den Weg zu uns weithin sichtbar zu machen. Allen ist kalt! Wir sind durchnäßt und kochen Kaffee, profitieren vom Feuer. Das Summen der Mücken, die hungrig und zahlreich um uns spielen, macht ein zusätzliches Geräusch. Ich werde beinahe aufgefuttert und flüchte probehalber ins Auto um festzustellen, daß dort inzwischen auch so viele zu Hause sind, es also besser ist, an der frischen Luft und draußen zu bleiben. Alles ist etwas improvisiert, was mir wiederum gefällt: Trinkschale wird zum Kessel, Aludeckel von Nescafédose zum Löffel und leere Dosen verzehrter Konserven zu Kaffeebechern. Ein bißchen angeschlagen sage ich mir, daß sicher massenweise Leute ein unglaubliches Geld dafür zahlten, bis hier und jetzt an meiner Stelle sein zu dürfen, gebe mir entsprechend Mühe, das ganze ordentlich auszukosten. Der Gedanke an Timon und Ferdinand, die jetzt ohne Schuhe, ohne Wasser, ohne Moskitonetz mit klammen Klamotten auf mondbeschienener nasser Erde irgendwelchen aufgewellten Spuren folgen, vergällt das Marlborogefühl ein wenig, das ansonsten schon bereitwillig von einer Kuherde, die sich an unsere Seite gesellt hat, unterstützt wird. Die haben wahrscheinlich das einladende Feuer gesehen und dachten sich: "nix wie hin". Wir kauen altes Gummibrot, das mehr und mehr im Mund wird und trinken abscheulichen Kaffee, der dennoch in dem Moment großartig war. Der zusammengebrachte Ästehaufen ist schnell klein und kleiner geworden und noch einmal gehen vier von uns, nun mit Taschenlampen, auf die Suche nach Nachschub; es nieselt immer noch und schon bald wird der Regen stärker. Für zwei Stunden in die Autos verbannt, warten wir das Abnehmen des niederprasselnden Schauers ab. Ich träume in die Nacht, komme mit meinen Gedanken den Bildern im Kopf nicht hinterher, alles purzelt durcheinander. Gegen 20.00 wird das Getrommel immer leiser und wir stellen die Moskitonetze auf. Ich glotze immer in die Richtung, in die Timon und Ferdinand verschwunden sind und hoffe immer noch, daß die beiden sich besinnen. Nach ca. 1 Stunde höre ich nahendes Motorengeräusch und bald sehe ich auch Scheinwerfer, die weit hinten kurz aufblitzen und dann wieder in die Nacht tauchen; schließlich gucken sie vom anderen Ende des Wadis herüber; wir gehen ihnen entgegen, um zu zeigen, wo es auf keinen Fall langgeht. Die Leute erzählen von unseren verlorengegangenen Schützlingen, die offensichtlich erst an Rückkehr denken, wenn die Aktentasche gefunden ist. Aus der anderen Richtung kommt eine Hochzeitsgesellschaft, der wir die Nachricht, daß die beiden auf jeden Fall zurück kommen sollen, mit auf den Weg geben. Es kommt in dieser Nacht noch so manches Fahrzeug vorbei, deren Besatzung immer was neues zu erzählen weiß und es wird klar: Timon sucht erst seine Tasche und bleibt wo er ist. Ich komme in dieser Nacht kaum zum Schlafen und träume halb wach lauter wildes Zeug zusammen. Zwischendurch lege ich immer wieder ein paar Äste nach und lege mich um 4.00 auf die klamme Matte. Mir ist kalt und es ist ungemütlich - ich erwarte den Morgen. Um 6.00 werde ich von der Geschäftigkeit der anderen geweckt und stehe auf. Wir machen noch einmal Wasser heiß für 'nen Becher Nescafé und starten dann in den neuen Tag. |
Der Morgen ist feucht und kühl, die Sonne zeigt sich in hellem lila, versetzt ihre gesamte Umgebung in dieselbe Farbe und Tau hat alles benetzt. Irgendwie kommt es mir rücksichtslos vor so quer die Landschaft zu zerkreuzen, tiefe sich wulstende Furchen hinterlassend, die wie eingefräst stehen bleiben; "da wächst kein Gras mehr drüber, da fließt nur rein, was zunächst dort stehen bleibt: Wasser" denke ich laut. Wie schon am Vortag durchschlingern wir gewasserte Wiesen, wassern eben mit. Da tun sich schon bald wieder Kanäle auf, die schon von anderen genommen wurden, ohne das einer hier blieb. Ich laufe trotzdem vorsichtshalber einige Strecken ab und stehe bis zum Bauch im Wasser. Limit! Der Untergrund scheint hauptsächlich sandig zu sein und die Chance durchzukommen ist gut. Dann geht Ati auf. Ein großer See liegt da vor mir, an dessen Rand noch ein wenig Platz bleibt, um mich dran vorbei zu drücken während die anderen mitten durch rauschen. Tanken halte ich für zunächst eine der wichtigen Angelegenheiten, die hier noch erledigt werden will. Ich halte an einer der "Flaschentankstellen" und diskutiere den Preis: 550 FCFA/Liter ist teuer, aber was soll ich machen? In N'Djaména habe ich noch für 350 FCFA/Liter getankt. 45 Liter Diesel sind durch eine aufgeschnittene Wasserflasche mit einem Stück Stoff drin, die mir so als Filter und Trichter dient, in den TOYO geflossen und es kann weitergehen, denn für eine Teepause ist noch nicht genug geschafft. Ein Weg durch die Wüstenstadt, die jetzt statt des heißen Sandes lauter Riesenpfützen und zerwühlte Schlammlöcher zu bieten hat, ist schnell gefunden. Wieder bietet die Gegend einen sehr schönen Anblick; wir folgen einer Bergkette, die in morgendlichem, nun weißem Licht glänzt. Es ist unglaublich, aber kaum trifft man mal auf einen Hirten oder dessen Kinder, schallt es auch hier: "arrête toi et donne moi le cadeau". Wir schieben uns kilometerlang durch Wasserstraßen. Ich traue mich nicht, einen anderen Weg zu nehmen. Die anderen sind schon längst wieder außerhalb der Sichtweite und ich befürchte, von irgend einem Wasserloch verschluckt zu werden. Daß Wasser durch die Türritzen eintritt ist schon normal, meine Füße sind aufgeweicht und die hohe Feuchtigkeit durch die Verdunstung im Wageninneren läßt mich ordentlich schwitzen (in Kombination mit der Angst ums Auto). In Am Sinete, mitten in einem Wadi, machen wir die obligatorische Tee- Futter- und Rauchpause. Wieder sind in Sekunden die jungen Mädchen der Stadt da, die uns Bouille und Fettgebäck in verschiedener Variation anbieten. Eine große Schüssel der nahrhaften süßen Bouille steht in unserer Mitte und für jeden liegt eine kleine Suppenkelle bereit, um das tschadische Frühstück individuell in sich reinzuschlürfen. Nach 'ner halben Stunde stehen alle wie auf Kommando gleichzeitig auf und wir lachen darüber; der Zeitpunkt war also gekommen. Nächstes Nahziel ist Oum Hadger; ab da an soll es erst losgehen mit den Überschwemmungen, hat man reden hören. Die ersten Anzeichen dafür sind unverkennbar. Wir bewegen uns ab jetzt nur noch mehr oder weniger im Wasser. rauschen durch Kanäle und genießen grün. Ich habe Lust zu baden und mich richtig zu waschen, laufe einige hundert Meter in die breite Wasserstraße, die von den anderen schon durchquert. Bewegtes Wasser, aufgewühlter Sand und Schlamm. Ich suche eventuelle Löcher. Auf geht's und wieder schleiche ich mit Herzklopfen genau am Limit für den TOYO entlang, das Wasser steht direkt unter den Scheinwerfern. Tiefer darf es nicht mehr werden. Nach bestimmt 2 km sehe ich schon die roten Shirts der tschader Crew, die mich in einen anderen Kanal umleitet. Hier ist nach ca. 1km erst einmal Schieben angesagt. Nach bereits bewährter Methode überlisten wir den nachgebenden Untergrund, nutzen den Schwung. Das Loch hinter mir gelassen, muß ich jetzt wieder auf festeren Boden gelangen, auf dem der Cruiser bereits sitzt. Der TOYO schafft die Hürde mit Schwung und hebt sich beeindruckend hoch aus dem Wasser um stolz oben auf der Böschung zu verschnaufen. Bis Oum Hadger ist noch so manche Wasserfläche zu umfahren, so mancher Kanal zu durchqueren, bis wir schließlich vor der Stadt an einem großen See ankommen. Ich bin sprachlos und mache ersteinmal ein Foto. Dann fand ich eine Möglichkeit, ein kleines Stück zu umfahren, um wiederum an dem unüberwindbaren Wasser anzukommen. Nachdem alles abgelaufen ist wird klar, daß Fahren hier nicht mehr möglich ist. Also: Ansaugschneuzel zubinden, Auspuff zubinden und Leute finden, die schieben. Gedacht, getan und für 10.000 FCFA finden sich dann die nötigen 10 Leute, die mich bis an das nächste Ufer schieben. Ein bißchen abgewartet, Motor gestartet: puhhh!!! Erleichterung, alles läuft. Ich mache noch ein Foto vom Markt und von der uns umgebenden Wassermasse, bevor es weitergeht in Richtung Am Dout. Es ist erst 11.00 Uhr und wir haben noch viel Zeit zum Fahren. Die Crew aus dem Cruiser kauft Zigaretten und Seife. Plauschen mit Bekannten und kurze Informationsaustauscherei, Inhalte der Berichte Durchreisender: wer hat wie lange gebraucht, wie viele Fahrzeuge (und vor allem wessen) sind verreckt und auf der Strecke geblieben. Wir hören von drei erstickten TOYOS wie dem meinen von RRI (Straßenbau) und dem getöteten TOYO Cruiser vom Délégué aus Abéché. Wir hören von einer zerstörten Brücke, die uns Schwierigkeiten bei der Passage bereiten wird und von großen Hindernissen; dann brechen wir auf und werden nun bald selbst sehen, in welchem Zustand die Strecke ist. Zunächst noch Wasserwiesenrollen wie zuvor, was es zu genießen gilt. Lauter unterschiedliche Vogelarten heben sich aus Wiesen und Sträuchern hervor, kreisen mit der Thermik oder flattern nur ein Stück. Dann hebt sich die neue rote Straße wie ein schmaler Wall aus dem ansonsten total überschwemmten Gebiet. Der TOYO von RRI steht frisch geputzt und wie neu an der Regenbarriere und tut keinen Atemzug mehr - unachtsam behandelt und nun gezwungenermaßen zurückgelassen. Fester, trockener Boden, glänzend um 15.30 inmitten von Sumpf und spiegelndem Wasser. Einer von diesen alten Toyos, überall liebevoll bemalt und mit Plastikblumen innen und außen verziert, steht mit offener Motorhaube am Rand und wartet auf Hilfe. 'Ne ganze Menge Leute steht und liegt drum herum, wir halten. Das finde ich jetzt okay! Die Leutchen haben bereits Tage der Reise zugebracht, in Matschlöchern gesessen und gearbeitet, im Wasser gehangen und gearbeitet und ich weiß nicht wieviel Situationen durchlebt, wo irgend etwas repariert werden mußte und es hat immer irgendwie geklappt. Jetzt scheint die Batterie das Problem zu sein. Ich hole mein Abschleppseil heraus und die beiden Autos werden miteinander verknotet - auf geht's. Hinter mir spotzt und ruckt es aber der Schnuffel will nicht. Bizarrerweise baut jetzt der Chauffeur des Cruiser völlig überzeugt meine Batterie aus und setzt diese direkt neben die Batterie des alten Toyos; dann verbindet er die beiden Batterien auf geheimnisvolle Weise mit mehreren dubiosen Kabeln, die schon ausgefranst und ausgedient aussehen, stellt zusätzlich mit einem Maulschlüssel einen Kontakt zwischen den gleichartigen Polen her und gibt das Kommando zum Start. Unglaublich - der Schnuffel springt an. Um uns herum sind die Gesichter aufgehellt und die Leute klatschen sich ununterbrochen die Hände, alle durcheinander aufgemunterte Worte rufend. Irgendwie bin ich zufrieden, als Zuschauer des Szenarios, während ich in Ruhe meine Batterie wieder an ihren gewohnten Platz bugsiere. Die hält immer noch mit dem Holz von der letzten Reise, die provisorische Lösung hat sich als dauerhafte Halterung bewährt. Alles wieder festgeschraubt fahren wir ca. 300 m bis zu einem Radier, das total kaputt ist. Aha! Die kaputte Brücke, denke ich. Der Cruiser schaukelt gefährlich über offensichtlich große Steinplatten, die im Wasser verborgen liegen und schafft den Aufstieg nicht. So etwa 20 Leute sind zur Stelle, die bis zu den Schultern im Wasser stehen und auf Zuruf schieben und drücken - er hat's geschafft. Jetzt bin ich an der Reihe. Durch vorsichtiges Vorantasten zu Fuß weiß ich ungefähr wie die Steine liegen und wie es klappen könnte. Mit Herzklopfen fahre ich im langen Gang ganz vorsichtig rein und holpere über die Platten, die sich unter mir zu bewegen scheinen; dann gebe ich nur noch Gas und erklimme außerordentlich beeindruckend die andere Seite. Der Toyo hebt sich aus dem Wasser und klettert wie eine Bergziege, heult ein bißchen wegen des schweren Gangs aber grinst überlegen wegen der Überwindung eines so geringen Hindernisses. Ich kriege jetzt echt 'ne Beziehung zu dem Auto; mehr als zuvor. Alle sind zufrieden, weil es ohne weitere Aktion vorwärts geht. Nach weiteren 500 m das nächste Radier, auch kaputt. Wir laufen es vorher ab und zimmern eine Strategie zunächst für den Cruiser. Das Loch zwischen Straßenabgrund und Restradier ist zu groß, da kann man nicht durchfahren. Der Straßenwall wird seitlich verlassen, ein großer Bogen im seichteren Teil um das strömend fließende Wasser gefahren, was schon viel Sand und Schlamm weggeschleppt und tiefe Löcher hinterlassen hat, um auf der anderen Seite den Wall zwischen ertrunkenen Gräsern und sich badenden Bäumen zu erklimmen. Das hat geklappt. Ich gucke immer mit Herzklopfen, staunenden Augen und offen gebliebenem Mund zu, wie sich der Cruiser durch die gegen ihn arbeitenden Gewalten wehrt und gewinnt. Das eben Gesehene noch einmal zu vollbringen erscheint mir nicht so leicht und ich habe irgendwie Angst. Allen Mut zusammengenommen mache ich tatsächlich das Kunststück nach - noch dazu mit ziemlicher Leichtigkeit: kein Stocken, bedächtig aber stetig runter von der Straße, Bogen gefahren und rauf auf die andere Seite. Hinterher hatte ich ein flaues Gefühl in den Knien, aber ich konnte ja sitzen bleiben. Wieder 500 m gefahren, das gleiche Spiel! Ich muß einfach glauben, was ich sehe, aber offensichtlich sind alle Radiers vom Wasser weggerissen. Hier fließt jetzt ein wahrer Strom durch, der es mir nicht einmal erlaubte hindurch zu laufen ohne umgeworfen zu werden. Da ich sowieso schon total naß bin, macht das jetzt auch nichts mehr aus, aber wer hier nicht schwimmen kann, sollte Angst haben denselben Weg zu nehmen. Wir laufen im großen Bogen lauter Möglichkeiten und Unmöglichkeiten der Passage ab und wissen, daß wir abermals seitlich die Straße verlassen müssen. An diesem Radier haben sich aus beiden Richtungen so einige Fahrzeuge gestaut, weil die Strömung stark, das Wasser tief und der Boden schwer ist und keiner sein Auto im Wasser ersticken will. Der Chauffeur des Cruiser wagt den Schritt und steckt schon nach wenigen Metern im Schlamm. Helfende Hände schieben; nach der ersten Hürde geht es auch tatsächlich weiter bis zur anderen Seite - dann ist Schluß. Aufgesessen an der Steigung des Straßenwalls, das rechte Vorderrad hängt ca. 30 cm in der Luft, der schwere Wagen hat eine bedenkliche Schräglage. Wir holen die Sandbleche vom Dach und die Schaufeln aus dem Auto und zerstören den neu aufgeschütteten Wall, der für hiesige Verhältnisse falsch konzipiert und nicht mehr als Straße sondern als Staudamm funktioniert. Inzwischen ist die kurze Dämmerung da, die mit Unmengen von hungrigen Moskitos und der unglaublich dichten Dunkelheit daher kommt. Meine Füße sind von den Steinen aufgeschrammt, ich stehe im Schlamm, buddele, was das Zeug hält (wie jeder, der eine Schaufel hat) und schon kann der nächste Versuch, den Straßenkamm zu erreichen, gestartet werden. Mißerfolg! Immer mehr Fahrzeuge kommen von beiden Seiten, voll beladen und wesentlich weniger kräftig als das unsere. Ich habe Bedenken, daß der Cruiser umkippt, das rechte Rad hebt sich immer weiter ins Leere. Stunden der Arbeit sind schon vergangen. Wir versuchen jetzt mit Seilen und der Hilfe eines sich bereitwillig bietenden Toyos von vor 10 Jahren, den Cruiser herauszuziehen. Die Schräglage wird immer bedenklicher, das Seil reißt. Es ist inzwischen 21.00 Uhr und die anderen Reisenden sind blockiert und deshalb genervt. Die Möglichkeit selbst zu passieren ist durch den Cruiser versperrt. Es helfen nun viele Hände, mir ist kalt und die Mücken sind unerträglich. Ich schaue schon jetzt ängstlich auf die andere Seite, weil da mein treues Autochen steht, was hier auch noch rüber muß, wenn wir irgendwann tatsächlich den Cruiser rauskriegen. Nach stundenlanger Schaufelei, Geziehe, Geschiebe und Gehieve und den nötigen Anfeuerungsrufen klappte es dann tatsächlich. Die beängstigend zunehmende Schräglage nicht mehr beachtend, dem Inderlufthängen des rechten Vorderreifens um auf jeden Fall mehr als 1.20m (er war auf der Höhe meiner Schultern), begleitet vom angestrengten Hochtouren des Motors, dem Ächzen des abbröselnden Untergrundes, dem Schmatzen des zurückgelassenen Schlammes und dem Geräusch des sich ergießenden Wassers, haben wir gewonnen. Sofort danach stürzten sich die anderen Wagen in die Fluten, denen wir nun auch helfend zur Seite stehen mußten. Sie hatten bereits die Ladeflächen entladen und alles auf dem Kopf sicher auf die andere Seite getragen. Die im Verhältnis kleinen und leichten Fahrzeuge wurden einfach mit vereinten Kräften ohne Motorkraft durch das Wasser geschoben und auf der anderen Seite herausgehoben. Todmüde, frierend und nicht aufgelegt für ein weiteres Abenteuer dieser Art wäre ich am liebsten in den Sitz im Auto gesunken und eingeschlafen. Heute noch dieses Radier und einen Platz zum Schlafen finden. Der Chauffeur und ich beratschlagen die Lage. ich schlage vor ohne Motor ins Wasser zu gleiten, damit kein Schluck eingeatmet wird, im Wasser mit Motorkraft zu fahren und alle Schieben zur Unterstützung. Wir bauen die Motorhaube ab, schrauben den Ansaugi los und machen einen Schornstein daraus. Die Motorhaube befestigen wir notdürftig hochkant hinter der double cabine und ich möchte nicht drin sitzen. Zitternd vor Kälte und sicher auch vor Aufregung schaue ich zu, wie mein kleines Auto nun mit dem Chauffeur sanft ins Wasser gleitet, schon einen Moment später den Motor brubbeln läßt und sich tapfer und problemlos auf die andere Seite durch den Schlamm schiebt, um mit einem kleinen Anlauf tatsächlich ohne fremde Hilfe die Straßenmitte zu erreichen. Ich tanze im Wasser, juble und hopse, freue mich, bin einfach ungeheuer erleichtert! Weiter geht's, keine 500 m - noch ein kaputtes Radier. Seufz! Das war die RheinRuhr Gesellschaft, die diese Straße gebaut hat, verfluchte Fehlkonzeption! Ohne Straße wäre alles einfacher. Ich warte ab, der Cruiser nimmt Anlauf und bleibt hängen. Inzwischen wieder Mut gefaßt, laufe ich direkt daneben alles ab, um zu sehen, ob der Platz zum Vorbeifahren ausreicht und ob es überhaupt geht. Ohne zu fragen entscheide ich und rausche an den anderen vorbei auf die andere Seite. Jetzt biete ich die Reste von unserem Seil an, um zu ziehen und die Situation ist im Handumdrehen hinter uns. Nach vielleicht 5 Kilometern erreichen wir eine Regenbarriere an einer unüberschaubaren Wasserfläche und entscheiden hier den Morgen abzuwarten. Moskitodome rausgeholt, in 2 Minuten aufgestellt, Matratze rein und ich bin fertig. Ich helfe noch Guillaume und Astrid beim Aufstellen ihrer Betten, wir trinken noch einen kräftigen Pastis als Schlaftrunk. Alle haben sich irgendwie installiert; ich fühle mich zerschlagen, schmutzig und eingeschlammt. Es ist kalt, die Mücken sind so zahlreich, daß sie wiederum einen einheitlichen Ton fabrizieren. Der Mond schickt seine ganze Kraft und beleuchtet in romantischer Weise den sich vor uns ausbreitenden See oder was immer das sein mag. Ich entscheide, da alle schon beinahe schlafen, daß ich noch baden gehe, auch um den Geruch meiner Seife zu genießen, mich selbst riechen zu können. Kaum am Wasser fallen die Mücken wie verabredet in wahren Heeren über mich her und der Genuß ist zunächst nur ein halber. Dann tauche ich einfach unter, sehe ja sowieso nichts und bin anschließend erfrischt, fühle mich viel besser und bereit, um nun ebenfalls - und ebenso erschöpft wie alle - augenblicklich auf meiner Matratze in traumlosen Schlaf zu sinken. Wir haben 194 km bewältigt. |
Der Morgen ist kühl, die Sonne ist noch nicht zu sehen, sendet aber schon erste Strahlen und taucht den Himmel in zartes rosaviolett. Vögel zwitschern und das leise Gemurmel der aktiven Tschader, ist zu hören, die ihre Sachen zusammenpacken und schon gebadet und frisch für den Tag sind. Ich räkle mich noch einmal ausgiebig in dem gemütlichen Moskitodome und verabschiede mich wehmütig von der horizontalen Lage, die ich so gerne noch ein bißchen beibehalten hätte; also hochgefedert. Ein Bad in dem nun deutlich sichtbaren See tut gut und erfrischt ungeheuer - Gänsehaut. Bald ist alles zusammengepackt und die letzte Etappe kann in Angriff genommen werden. Irgendwie fühle ich mich zerschlagen und muß mich echt aufrappeln. Die noch nassen Sachen von gestern ziehe ich gleich wieder an, und laufe gemeinsam mit dem Chauffeur das Radier ab. Wir beschließen, weil uns das Wasser schon bald bis zum Hals steht, beide Autos zu schieben, diesmal kommt der TOYO zuerst dran. Ansaugi ist zu, Auspuff auch und los geht's. Ich setze mich rein und drei Leute schieben; es scheint ganz leicht zu gehen - gleichsam stetig geht es vorwärts. Die Türdichtungen halten den Druck von außen nicht und das Wasser kommt nun lautlos durch alle Ritzen, füllt langsam den Innenraum. Mein Fotoapparat und der Computer sind zwischen meinem Kopf und der Wagendecke eingeklemmt, meine Haltung ein bißchen lächerlich. Nachdem der Wasserstand im Auto die Fensterhöhe überschritten hat, das Lenkrad schon im Wasser sitzt und ich bereits in die Hocke auf den Sitz geklettert bin, bemerke ich das Herzklopfen, daß in meinen Ohren dröhnt. Ich überlege die Fenster ganz zu öffnen. Das änderte zwar nichts am Wasserstand, jedoch käme ich im Zweifelsfall leichter heraus. "Ca va descendre" höre ich aufmunternd von draußen und ich weiß es ja auch, schließlich bin ich hier schon durchgelaufen. Tatsächlich geht es endlich wieder bergauf, und jetzt müssen die drei ganz schön ackern. Die Fenster lassen sich nicht einfach herunterkurbeln, jetzt ist der Stand im Auto höher als der Wasserstand draußen. Noch ein paar Meter und triefend und tropfend steht der brave TOYO auf trockenem Boden. Ein Wasserschwall ergießt sich aus dem Wageninnern beim Öffnen der Türen. Die gleiche Aktion erwartet nun den Cruiser. Ich bin erstaunt, wie leicht sich das schwere Auto durch das Wasser schieben läßt, wir sind nur vier. Anstrengender wird es nur bei der Steigerung auf der anderen Seite, aber auch das ist bald geschafft. Der Cruiser ist irgendwie höher als mein Auto, die Dichtungen vielleicht besser oder wir schieben zu viert schneller; jedenfalls steigt das Wasser im Wageninnern längst nicht so hoch wie zuvor bei mir. Auf der anderen Seite angekommen, warten wir noch 15 Minuten und nutzen die Zeit um noch einmal zu baden. Der Start ist nach dem Öffnen aller Luftzufuhr spannend - der TOYO sagt keinen Mucks! Ein Blick in den Motorraum (ein Anblick, der sich ohne Motorhaube schnell und übersichtlich darbot) und auf die Batterie zeigt, daß sie verrutscht ist und sich die Kabel ein bißchen gelöst haben: kein Problem also! Beide Wagen springen problemlos an. Es geht weiter und wir nähern uns Am dout, dem Wadi vor Abéché, das Tal des Löwen. Wir passieren eine Regenbarriere und erkundigen uns noch einmal nach dem Pistenzustand und eventuellen Schwierigkeiten. Nur noch ein paar kaputte Radiers, aber heute sind schon zwei Fahrzeuge aus der anderen Richtung gekommen, alle haben die Passage geschafft. Jetzt hat sich das Landschaftsbild wieder verändert: Man sieht trotz der Gräser, daß dies eine Wüstenlandschaft ist. Die Piste liegt klar und deutlich vor uns und wir folgen den Ausweichmanövern der uns Vorausgefahrenen. Die Radiers sind zwar alle kaputt, lassen sich aber relativ problemlos umfahren. Der Cruiser bleibt jedes mal im Schlamm stecken und ich kann ihn jedes mal herausziehen. Guillaume fährt einfach mit viel zu viel Schwung ins Wasser und gräbt sich dadurch jedes mal ein. Vor uns liegt nun die angeblich letzte größere Schwierigkeit, ein Radier, das kaputt ist und dessen Umgebung im Wasser steht. Man sieht, daß hier vor uns schon gebuddelt und geackert wurde. Wir laufen die Strecke außen herum ab und weisen den hoffentlich passierbaren Weg. Guillaume nimmt Anlauf und hängt in einem Schlammloch, es geht nicht vor und nicht zurück, er wühlt sich tiefer. Wir gestikulieren von allen Seiten, daß er weitere Versuche einstellen soll und es dauert, bis er den Motor abstellt. Mit Steinen, die wir aus dem halb aufgelösten Radier zusammensammeln, Zweigen und Ästen, der Hilfe der Sandbleche und unserer Arbeit mit den Schaufeln brauchen wir eine weitere Stunde, bis er wieder frei ist. Ich will den selben Weg nicht mehr nehmen, da das Loch so tief geworden ist, und laufe auf der anderen Seite die Passiermöglichkeit ab. Mein Vorschlag, es so zu versuchen wird nach eingehendem Ablaufen angenommen und ich möchte nicht fahren, lieber schieben. Es ist ein Gradweg, wenn man davon abkommt, sitzt man richtig im tiefen Wasser. Der Chauffeur setzt den TOYO genau in so ein Loch und ich ärgere mich, daß ich es nicht doch selbst versucht habe. Wir schieben mit vereinten Kräften. An dieser Stelle wäre ich beinahe noch überrollt worden, weil der Chauffeur ohne Ankündigung zurücksetzte während wir schoben, ich dadurch hinfiel und mich nur mit einem zappelnden Satz zur Seite retten konnte. Naja, das ist noch mal gut gegangen. Nun sind die restlichen Kilometer bis Abéché nur noch ein Kinderspiel. Alle folgenden Riesenpfützen, Schlammwiesen, Wasserlöcher oder kaputten Radiers sind entweder zu umfahren oder vorsichtig zu passieren, sodaß wir nach 157km mittags in Abéché ankommen. Insgesamt also waren das nur 844 km, die 4 anstrengende Reisetage in Anspruch genommen haben. Unglaublich! Die Stadt hat sich kaum verändert, wenn auch an ihrem Eingang das Wadi voll ist und sich auch hier alles freundlich in grün getaucht präsentiert. Beim näheren Hinsehen fällt jedoch auf, daß auch hier der Regen sein Werk vollbracht hat. Die Straßen haben große Löcher oder dicke Rillen, die das fließende Wasser ausgewaschen hat. Ein paar Mauern sind auch eingefallen. Wenn man sich jedoch im Vergleich dazu vorstellt, daß der Regen in Moundou neun Quartiers zerstört hat und in N'Djaména 2000 Häuser eingestürzt sind, dann ist hier beinahe nichts passiert. Die anderen begleiten mich noch bis zu mir nach Hause, helfen mir beim Abladen und beim Wiederanbringen der Motorhaube. Astrid, Guillaume und ich verabreden uns auf einen abendeinleitenden Umtrunk an der Base. Schon sehr bald stelle ich ziemlich angewidert fest: in meinem Haus haben sich, total überflüssig während meiner Abwesenheit Riesenkakalaken häuslich eingerichtet. Ungezählte Mücken lauern in allen Ecken und Ritzen, um sich alsbald hungrig auf mich zu stürzen. So finden dieselben des nachts doch immer eine Möglichkeit, den Schutz meines Moskitonetzes hinterhältig zu unterwandern, stören mich nicht im Schlaf aber morgens geht mit dem ersten Augenaufschlag das Gejucke los. Wenn es dunkel wird und Licht bescheuerterweise notwendig wird, ziehen wieder allabendlich Myriaden von Motten, Springgetier und Riesenkäfer in all ihren Mutationen auf, schaffen es bis zu mir rein oder schmeißen sich gegen das Fliegengitter, Kanthariden sind auch dabei (die gemeinen Viecher, die Dich ungefragt als Ziel ausgucken und, mitten rein getroffen, mit einem brennenden Flatschen dafür bestrafen, daß Du Ziel geblieben bist.) Mich hat's noch nicht erwischt, Inch Allah bleibt das auch so bis die wieder verschwunden sind. Ich will nicht sagen, daß ich mich daran gewöhnt habe aber ich weiß halt schon, daß das diese Jahreszeit mit sich bringt; es verwundert mich immer wieder, was ich zu akzeptieren in der Lage bin. Wäre ich noch aufmerksamer, wunderte ich mich wahrscheinlich viel öfter. Ansonsten staune ich außerordentlich gerne, weil es da etwas schafft, mich ganz in seinen Bann zu ziehen, ich kann einfach stehen und staunen und denke nachher! Im Garten sind meine Nimbäume ein ordentliches Stück gewachsen. Ich habe ein paar Gemüse- und Kräutersamen in Watte gebettet und warte nun darauf ein schickes Beet anlegen zu können. Strom ist auch nach wie vor mal da und mal nich', - mit System, welches bei der örtlichen STEE täglich telefonisch oder persönlich neu erfragt werden kann: da wird Service zum SERVICE. Der TOYO steht jetzt wieder frisch geputzt, generalüberholt, entwässert und entschlammt im Hof und wenn mein Blick auf ihn fällt, denke ich an all die Hindernisse, die er so treu und zu meiner eigenen großen Überraschung bewältigt hat. Ich habe mich da Sachen mit ihm getraut, das hätte ich mir in meinem kühnsten Träumen nicht gedacht. Das war nun der Ausgang meines Abenteuers, das mir eine Idee über die Reisebedingungen in der Regenzeit gegeben hat. Die Tschader, die mit einer ungeheuren Geduld und als sei es gottgewollt, Wochen auf der Piste zubringen, weil entweder ihr Equipment nicht ausreichend oder der Zustand des Autos katastrophal ist, kann ich nur bewundern. |
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