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Christian hat sich der Tortour unterzogen, die heutige Rausfahrertour einige Tage vorher im Nieselregen ordentlich zu erscouten und auf der Rausfahrerpinnwand wortgewaltig anzukündigen. Das lockte trotz der angedrohten 550 km 14 Moppeds zum Startpunkt, die auch alle wacker durchhielten. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen! Die Autobahn Richtung Cottbus ist echte Arbeit, denn ständig Gewicht auf die noch nicht ganz vertrauenserweckenden Fußrasten zu legen, um die ärgsten Schläge auf dieser nostalgischen Autobahn abzufedern, erfordert Kondition. Hoffentlich kommt die Strecke nicht unter Denkmalschutz! Endlich, bei Schwarzheide, runter von der Autobahn, noch ein paar Kilometer durchs Flache und dann kamen sie, die Hügel. Endlich konnte wieder die Sella-Runde abgefahren werden (nun gut - man kann in Sella bei Grünewald einmal im Kreis fahren - die Sellarunde für Arme) und über winklige Straßen ging es vorbei an urtümlichen und neugierig unter ihren Fransen hervorlugenden zotteligen Rindern, gejagt von einem halbschalenbehelmten Oldtimerfahrer auf 125er DKW, über einen Bach namens Wasserstrich wieder zur Autobahn. Fantastische Straßen warten auf Entdeckung! Bautzen mit seinen Türmen hinter dem tief eingeschnittenen Spreetal lockte zum Italiener auf dem Marktplatz - nix da - Strecke machen! Neuerdings kann man die halbe Oberlausitz (bzw. die Königshainer Berge) im neuen Autobahntunnel unterqueren. Da es nicht gelang, die schwingende Luftsäule zu erzeugen, fing die Baghira aus lauter Langeweile mit dem Killschalterspiel an, zwei BMWs intonierten den Doppelknall, die Bandit knurzte nur zum Topf raus, andere 2- und vierzylindrige BMWs fielen ein und die Buell produzierte nach etlichen den einzigen Dosenfahrer terrorisierenden Kilometern den Megarumms am Tunnelausgang des tatsächlich längsten Autobahntunnels Deutschlands. Knapp an Görlitz vorbei, unterdessen im Tal der Ahnungslosen (man konnte damals kein West-TV empfangen), über weitere Hügel und Kurven führte die Strecke durch Ostritz und dann hinab ins Tal der Neiße, wo man vor bald 800 Jahren einen prima abgeschiedenen Ort am Rande des Königreichs Böhmen zur Gründung eines Zisterzienser-Klosters fand - St. Marienthal. Seit dieser Zeit war es ohne Unterbrechung Kloster - auch in der DDR-Zeit duldete man es. Wer weiß, welche Symbiosen es das gegeben hat. Nach der Wende wurde mit Hilfe großzügiger Spenden, allen voran die Bayerischen Glaubensbrüder vom Kloster Schönbrunn, der Wiederaufbau der runtergekommener Gebäude bezahlt. Irgendwie müssen die gescheffelten Gelder angelegt werden. Jedenfalls wurde die Anlage hervorragend wieder hergestellt und wirkt im Sommerlicht heute in ihrer barocken Schönheit wie damals, als sie nach dem Brand 1683 wieder aufgebaut wurde. Obwohl die Michaelskapelle sonst geschlossen ist, ließ man uns hinein und wir konnten hinabkriechen in die Gruft, wo die schöne Sängerin Henriette Sontag, in Mexiko von der Cholera dahingerafft, bei ihrer Schwester, einer Nonne, beigesetzt wurde. Die schon ältere Kappelle wurde 1756 dem Zeitgeschmack mit goldenem Strahlenkranz um die Kruzifixe und allgemein freundlicher dreinblickenden Heiligen angepasst. An der Neiße am Klosterhof findet man noch ein anderes Kleinod - die Wassermühle. Hier stand schon zur Gründungszeit des Klosters (1234) eine Mühle. Die heutige wurde als Sägewerk in der Mitte des 19. Jahrhunderts gebaut und war bis 1990 in Betrieb. Von 1910 bis 1967 versorgten durch die Neiße angetriebene Turbinen die Klosteranlage mit Elektrizität. Seit wenigen Jahren sind die restaurierten Maschinen für Schauvorführungen wieder in Betrieb und können wie das kleine angeschlossene Museum zur Wasserkraftnutzung besichtigt werden. Die Welt hat Ostritz noch ein weiteres Kulturgut zu verdanken: Das dunle Klosterbier von St. Marienthal. Hunger! Der ließ sich sehr rustikal in der Klosterschenke abstellen. Dort gab es in uriger Umgebung so exotische Gerichte wie "Spritzwürst'l mit Abernmauke", "Teichelmauke", "Rindfleesch mit Meerretchtunke an Abern". Was das ist, kostet man am besten selbst. Das einzig wirklich störende an dieser Schenke war die Zwangberieselung mit allerplattestem Schlagergedudel. Choräle wären angemessener und angenehmer gewesen, deshalb verleihen die Rausfahrer nur 2 Helme ohne Fliege. Auf dem Klostergelände kann man auch Kleinigkeiten essen und wer solch eine Tour lieber auf zwei Tage verteilt, kann im Kloster auch günstig übernachten (25 DM/Nase, im nahen Hotel 45). An der Neiße entlang ging es durch Görlitz, der östlichste Großstadt Deutschlands, weiter durch die gegenwartskulturlose Gegend. Was? Nein es gibt eine Insel! Zwischen Deschka und Rothenburg, direkt und unübersehbar an der Straße gelegen, steht die Kulturinsel Einsiedel. Aus einer 1992 eröffneten Kunstgalerie in ausgefallener Holz- und Steinbau-Architektur ist ein Kinderabenteuerland entstanden, das dem Entdeckerdrang von Kindern und Teilen der Rausfahrer entgegen kommt. Man kriecht durch unterirdische Röhren wie ein Maulwurf in seinem Revier, taucht auf in bizarren Bäumen, inmitten eines Gatters mit einem Galloway-Rind, einer Ziege und einem Lama, kann von gummimattenbelegten Hügeln rutschen oder über Hängebrücken klettern. Ein Riesenspaß für wenig Geld, erstanden aus banalen Betonfertigteilen, einigen Stahlröhren, Gummimatten, aus den Fördenbändern der Braunkohletagebaue geschnitten, und fantasievoll geschnitzten Holzskulpturen. Nach einem letzten Stopp an einem Neißewehr bei Klein Priebus, dessen gestautes Wasser auf der polnischen Seite ein kleines Kraftwerk versorgt, ging es auf die Autobahn. Gut, dass immer ein Kanisterlein mit 2 Liter Reservesprit im Rucksack steckt, denn die Tankstellenversorgung ist hier recht mager. Das Ausvibrieren nach der stoßdämpfer- und bandscheibenmordenden Cottbus-Autobahn fand wieder im Marinella statt (logo!). Peter G
Im DetailAutobahn A13 - Abzweig Cottbus - Abfahrt Ruhland/ASchwarzheide - Günewald - Sella - Schwepnitz - Bischheim/Häslich :-) - Rauschwitz - Burkau - auf die A4 - an Bautzen vorbei - durch den längsten Autobahntunnel Deutschland - B115 - Kunnersdorf - Girbirgsdorf - Schlauroth - Friedersdorf - Berzdorf auf dem Eigen - Ostritz - St. Marienthal - B99 Görlitz - Zodel - Zentendorf - Kulturinsel Einsiedel - Nieder Neundorf - Rothenburg - Klein Priebus (Neißewehr) - Sagar - Bad Muskau - Jerischke - AS bademeusel auf Autobahn und nach Berlin.
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