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War es das Wetter oder das interessante Ziel - wer will das schon sagen? Jedenfalls fanden sich am 6. August an die 30 Rausfahrer ein, die alle mit zur Gartenstadt Marga in Brieske bei Senftenberg wollten. Bei so großen Gruppen gibt es natürlich immer Probleme mit dem Zusammenhalt, aber zum Glück gibt's ja GPS, das sich inzwischen wie eine Seuche unter den Rausfahrern verbreitet. Es standen also mehrere Hütehunde bereit, die die abgesprengten Schafe zur Herde zurück geleiteten. Wieso einige davon, obwohl später losgefahren, dann doch vor dem Hauptfeld eingetroffen waren (überholen, ohne einzuholen!), blieb allen ein Rätsel. Dabei war der Hinweg im Grunde ganz einfach: Aus Zeitgründen wurde auf eine verschnörkelte Anfahrt verzichtet, es ging immer die B 96 straight ahead. Die lange Motorradkolonne erregte natürlich überall Aufsehen. Hinter der Autobahnabfahrt Freienhufen bogen wir nach rechts ab und kamen über Meuro und Hörlitz, vorbei am Lausitzring und den schön renovierten Gebäuden der Fachhochschule Lausitz durch Senftenberg, und dann fuhren wir schon auf der B 169 direkt auf Marga zu. Zuerst fällt einem, egal ob man aus Nord oder Süd kommt, der schön restaurierte 40 Meter hohe Turm der Pfarrkirche auf, eines der markantesten Gebäude der ganzen Anlage. Er steht direkt am quadratischen Marktplatz, der an den anderen drei Seiten vom Gasthof Kaiserkrone, dem ehemaligen Schulgebäude und einem Kaufhaus flankiert wird. Dort erwartete uns schon Amtsdirektor Peter Gallasch, der uns auf einem fast zwei Stunden dauernden Rundgang durch die Siedlung die Besonderheiten erklärte und uns zu guter Letzt sogar einen Ausblick vom Belvedere auf dem Dach der Kaiserkrone gewährte! Marga ist die älteste Gartenstadt Deutschlands. Mit dem Bau wurde 1907 begonnen, beendet wurde er 1915. Alles, nicht nur die Gebäude, sondern die ganze Anlage, wurde vom Architekten Georg Heinsius von Meyenburg geplant. Kein noch so kleines Detail wurde dem Zufall überlassen. Er hatte von der Ilse-Bergbau-AG den Auftrag erhalten, diese Werkssiedlung zu bauen, denn man brauchte für den unmittelbar angrenzenden Tagebau und die Brikettfabrik Arbeitskräfte. Diese hoffte man aus entfernteren Gegenden, wo die Landwirtschaft nicht mehr genug Arbeitsplätze bot, mit den schönen Wohnungen anlocken zu können. Es entstanden so etwa 550 Wohnungen in 77 Gebäuden, eine Schule, ein großes Lokal und eine Kirche mit angegliedertem Friedhof. Kein Haus gleicht dem anderen, die bauliche Vielfalt erstreckt sich über Formen und Materialien hin bis zur Gestaltung und Verzierung der Zaunpfosten. Jedes Haus hat einen Garten und ein Nebengebäude, in dem Vieh gehalten wurde. Schließlich kamen die Bewohner aus der Landwirtschaft und sollten ihre bisherigen Gewohnheiten nicht gänzlich aufgeben müssen - sie sollten sich ja wohl fühlen. Die Planung des Architekten schloss sogar die Bepflanzung der radial und kreisförmig angelegten Alleen mit ein. Die Ringstraße wurde mit russischen Linden bepflanzt, die auf amerikanischen Linden aufgepfropft sind. Hier ergibt sich ein interessantes Problem für die weitere Planung: Die russischen Veredelungen haben gegenüber dem amerikanischen Grundstock eine etwa dreimal so hohe Lebenserwartung! Das muss man jetzt rein botanisch sehen, hat doch nichts mit Politik zu tun. Da nicht nur die Arbeiter, sondern auch Meister und Beamte in der Siedlung wohnten, war die soziale Kontrolle auch im Privatbereich und der Freizeit gegeben. Man könnte also sagen, dass alteingesessene Marga-Bewohner (Marganer? Margisten?) schon vor allen anderen Deutschen an Zustände gewöhnt wurden, die erst in den dreißiger Jahren in ganz Deutschland Usus und auch nach dem verlorenen Krieg nicht überall als unerwünscht angesehen wurden. Mit Herrn Gallasch, der uns von der Wirtin der Kaiserkrone, Frau Hannelore Blank, empfohlen worden war, hatten wir einen Glücksgriff getan. Nicht nur, dass er sich so viel Zeit für uns nahm und mit sichtlicher Freude und Engagement kleine Dönkes aus dem Alltag eines Verwaltungsleiters zu besten gab ("Wir hatten da eine Meinungsverschiedenheit mit dem Denkmalpfleger - das Ergebnis sehen sie hier" - tja, man kann sich nicht immer durchsetzen), er veranschaulichte uns auch, wie teuer so eine Restaurierung - besser gesagt "Rekonstruktion" werden kann und welche Schwierigkeiten es gibt, wenn man z.B. einen alten Farbanstrich möglichst originalgetreu wieder herstellen möchte. Der Denkmalschutz hatte natürlich von Beginn der Arbeiten im Jahre 1991 an ein wachsames Auge darauf, dass hier der ursprüngliche Zustand wieder hergestellt wird. Wie teuer das wird und welche Überraschungen man erleben kann, zeigt z.B. die Renovierung des Kirchturms. Als dieser eingerüstet war, sollte neben dem Putz auch gleich das Zifferblatt der Uhr erneuert werden, denn dem alten gab der Fachmann nur noch fünf Jahre. Also machte man es gleich mit, denn das Gerüst stand ja nun schon mal - und hatte viel Geld gekostet. Dann wurde die Erneuerung des Turmkreuzes empfohlen, und das Dach musste gedeckt werden. Und natürlich durfte immer nur Material verwendet werden, das dem Original entsprach. Da kam ein Euro zum anderen, und schließlich war erst mal das Geld alle. Aber man hatte bei der Restaurierung des Turmkreuzes im Knauf die Originalbaugenehmigung gefunden - der Beweis dafür, dass Marga tatsächlich die älteste Gartenstadt Deutschlands ist. Nach dem Rundgang und dem Mittagessen in der Kaiserkrone (3 Helme und 2 Fliegen) bot Herr Gallasch uns noch eine Rundfahrt durch den Tagebau an. Das war ein Angebot, das die meisten von uns nicht ablehnen konnten, auch wenn die Strecke nicht durchgehend asphaltiert war (oder gerade deswegen). Hier mutierten einige der bisher so braven Hütehunde zu Erdferkeln - aber wie sagt der deutsche Hundebesitzer doch so schön: "Er will nur spielen, der tut nichts!" Vorbei an elektrisch betriebenen Krokodilen, Schaufelbaggern, Förderbändern und gigantischen Abraumhügeln ging es auf Schotterpisten zu einem Aussichtspunkt, von dem aus man das ganze Ausmaß der Naturzerstörung sehen konnte. Natürlich gab es hier auch mal Ortschaften, die aber alle dem Baggerzahn zum Opfer gefallen sind. Jetzt ruht der Tagebau, die Vorkommen sind erschöpft, und alles soll ein riesiges Freizeit- und Erholungsgebiet mit Seen, Badestränden und allerlei anderem werden. Es sind auch neue Industrie- und Gewerbeflächen geplant. Der Rückweg führte uns am Lausitzring vorbei, der leider umzäunt, geschlossen und bewacht war, so dass einige Teilnehmer nur einen wehmütigen Blick über den Zaun werfen konnten. Holt euch eine OMK-Lizenz, Jungs! Klettwitz überraschte mit schönen Fassaden, und Finsterwalde hat ja sowieso einen der schönsten Marktplätze, die ich kenne. Münchhausen, 5 Kilometer nördlich von Fi'walde an der B 96, überraschte mich mit einem Kirchturm, der dem von Marga zum Verwechseln ähnlich sah. Ob hier der gleiche Architekt am Werke war? Da wir, anders als auf dem Hinweg, nicht mehr in Zeitnot waren, ging es auf kleinen Straßen kreuz und quer durch das südliche Brandenburg. Dabei entdeckten wir so manches kleine Nest, das einen zweiten Besuch lohnen könnte. Und die Landschaft ist wirklich traumhaft! Für Nachfahrer: Den Tracklog gibt's wie immer zum Runterladen für die GPSser. Alle anderen, die noch nicht total dem Techno-Fieber verfallen sind, schauen auf der Karte nach und suchen gelbe oder gar weiße Straßen. Sonnewalde, Trebbus, Lebusa, Dahme, Hohenseefeld, Heinsdorf, Petkus, Stülpe, Scharfenbrück und Trebbin sind die Waypoints.
Viel Spaß dabei wünscht euch Linktips
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