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Die Szene war schon einigermaßen seltsam: auf der einen Seite lag die Zufahrt zu einer Baustelle, auf der anderen eine Art Hohlweg, von kräftigem Nadelholz bewachsen, aber eben seitlich von Böschungen eingerahmt. Die Erklärung verblüffte dann doch etwas, wir durchfuhren auf unserer Tour am vergangenen Sonntag nämlich ein Stück des Mittellandkanals, so, wie er vor über 60 Jahren einmal aufgeschüttet worden war. Nur hatten die Nazis den Kanal nicht vollbekommen, die Arbeiter mußten die Schaufeln aus der Hand legen und in den Krieg ziehen. Dabei fehlten an dieser Ost-West-Wasserstraße quer durch Deutschland bei Rothensee nahe Magdeburg gerade einmal rund fünf Kilometer. Sie sollen, wie berichtet, im Jahr 2003 geschlossen sein - im Zuge des "Verkehrsprojektes 17", doch das nur nebenbei, denn auf den in den vergangenen Jahren geführten, ausführlich beschriebenen Streit um den Ausbau der Flüsse und die ökologischen Folgen wollen wir hier einmal beiseite lassen. Technisch anspruchsvolle fünf Kilometer waren und sind es dennoch, denn über die Elbe sollte schon um 1940 eine Kanalbrücke führen, die den Mittellandkanal mit dem Elbe-Havel-Kanal verbindet. Ein erstes Stück dieses Brückentroges wurde errichtet, man konnte es früher von der Autobahn aus sehen. Inzwischen wurde es allerdings für den Neubau abgetragen. Daß der Weg vom Mittellandkanal nach Berlin überhaupt per Binnenschiff zu bewältigen ist, liegt am Schiffshebewerk Rothensee, das wir auf unserer Tour ebenfalls besichtigten. Es wurde 1938 fertiggestellt und ermöglicht den 16 Meter tiefen Abstieg vom Kanal in die Elbe. Auf dieser müssen die Binnenschiffe allerdings einen Umweg nach Süden und dann, in einer engen Kurve nach Norden machen, um schließlich zum Elbe-Havel-Kanal zu gelangen. All das ist nicht nur ein Umweg, sondern auch ein Risiko im Sommer, wenn die Elbe Niedrigwasser führt. Deshalb also die Brücke darüber hinweg. Das Hebewerk ist zwar derzeit wegen des Umbaus dort außer Betrieb, aber es wird später weiterhin etwa den Touristendampfern zur Verfügung stehen, die vom Kanal in die Elbe wollen, oder zurück. Die Technik des Werks ist freilich trotz des hohen Alters interessant, denn es unterscheidet sich erheblich von dem Hebewerk in Niederfinow am Oderbruch. Dort wird der Trog mit Hilfe von Stahlseilen und Gegengewichten gehoben und gesenkt, hier sind es zwei Schwimmer, die in ebensovielen Brunnen auftreiben. Dazu mußte das Erdreich 60 Meter tief aufgebudelt werden, was allein schon ein ingenieurtechnisches Meisterwerk war. Denn der Boden wurde hierfür über Wochen hinweg vereist, damit man ihn zum Installieren der Brunnenteile überhaupt fest genug bekam. Aber Schiffe sind doch unterschiedlich schwer beladen, das muß doch ausgeglichen werden? Eben nicht, denn die Physik hat es so eingerichtet, daß jeder Körper die seinem Gewicht entsprechende Menge Wasser innerhalb des Gefäßes (hier also des Troges) verdrängt. Die Summe von Trog-, Wasser- und Schiffsgewicht bleibt also immer dieselbe. Und deshalb reichen die beiden Schwimmer aus, von denen jeder aber auch bitteschön einen Durchmesser von zehn Metern sowie eine Höhe von 36 Metern besitzt, um ein annäherndes Gleichgewicht hervorzurufen. Will man dieses beeinflussen, genügen weniger als 400 Pferdestärken, um das Traggerüst mitsamt den Schwimmern am unteren Ende hochzuziehen oder zu senken. |
Das Bauprinzip eines Schiffshebewerkes ist also recht kompliziert, wozu unterzieht man sich denn überhaupt der Mühe? Das Stichwort heißt Wassermangel. Der Mittellandkanal hat keine natürlichen Zuflüsse, jeder Tropfen fällt entweder gut gezielt vom Himmel, oder er muß per Pumpwerk hineingeschaufelt werden. Herkömmliche Schleusen verbrauchen zuviel des kostbaren Transportmittels. Dennoch soll das Hebewerk um eine zur Elbe hin abzweigenden Schleuse ergänzt werden. Denn der bisherige Trog ist nur 85 Meter lang, das ist für die heutigen Schubverbände mit ihrer Gesamtlänge von 180 Metern eindeutig zu kurz, will man nicht ständig rangieren. Die Schleuse soll daher groß genug sein, gleichzeitig aber auch Wasser sparen. Dazu dienen Nebengefäße auf Zwischenhöhen, die beim Abstieg eines Schiffes befüllt werden. Will ein Schiff aber hinauf, dann wird das gespeicherte Wasser in die Kammer geleitet. Auf diese Weise muß nicht so viel Frischwasser aus dem Kanal von oben nachfließen, wenn das von unten kommende Schiff gehoben werden soll. Das Ergebnis ist eine Wasserersparnis von 60 Prozent, hieß es beim Rundgang. Zurück zur direkten Kanalverbindung. Sie wird einen knappen Kilometer (918 Meter) lang als Brücke geführt, in einer Innenbreite von 32 Metern. Das reicht auch nur für einen Schubverbund - an Gegenverkehr ist also nicht gedacht. Eine dafür ausreichend breite Brücke hätte zuviel gekostet. Da müssen die bis zu 3600 Tonnen schweren Verbände eben mal warten, bevor sie die Strecke passieren können. Um die Konstruktionen bis 2003 fertigzustellen, wird sogar an Wochenenden gearbeitet - wie wir am Pfingstsonntag feststellen konnten. Bis zur Fertigstellung wollten wir dort nun wirklich nicht warten, deshalb suchten wir einen lauschigen Platz am Elbufer für eine Siesta auf. Danach ging es über Nebenstraßen nach Tangermünde - mit einem Stop in Buch. Da wurde nämlich gefeiert, das Rolandsfest. Nun, der Roland steht ja eigentlich in Stendal, aber seine Braut (aha, diese steinerne Figur in Rüstung soll also ein Mädchen darstellen) stammt hier aus dem Dorf, das durch die Heirat das damals seltene und begehrte Marktrecht bekam. Wann denn das war? "Öh, hmmm, da müssen Sie mal im Gemeindegebäude nachsehen, da ist die Geschichte angeschlagen", gehörte noch zu den präziseren Antworten. Naja, es war vor allem ein Fest für die Kinder des Dorfes (die großen wie die kleinen), da wollten wir nicht lange stören. Die Zeit war ohnehin schon vorangeschritten, die Sonne stand schon tief in den Wolken und zauberte Landschaftsbilder, die sie wohl mal bei Caspar David Friedrich abgeguckt haben muß. Entsprechend wildromantisch war denn auch die Stimmung in Tangermünde, wo wir schließlich einliefen. Die 1009 erstmals urkundlich erwähnte Stadt und ihre Burg wurden natürlich im 30jährigen Krieg stark gerupft. Aber nett aufgebaut haben sie’s schnell wieder, und an den Fachwerkhäusern aus dem 17. Jahrhundert kann man sich heute noch erfreuen. Soll heißen: am Anblick, denn darin zu wohnen dürfte gewöhnungsbedürftig sein, um sprachlich im Bild zu bleiben. "Nach Haus" war denn auch das Stichwort für die baldige Rückreise nach Berlin, denn kaum war die Sonne weg, fehlten Licht und Wärme. Zurück blieb nur die Drohung: Wir werden wiederkommen. So steht's auf -Motorradseite. Der Autor Gido hat den Klau freundlichst genehmigt. |