Home
Die Rausfahrer

Report 10.10.99
Endurotour nach Fürstlich Drehna

Tracklog, kann man auch runterladen von http://www.grabo.de/gps
Tracklog zum Runterladen auf der GPS-Seite

Sonntag morgen um 8:15. Es ist dunkel wie um 6, das Außenthermometer meldet 9 Grad und die Fensterscheiben melden "nass". Tu' ich's oder tu' ich's nicht?

Der Himmel sieht in seiner Nieselregen herablassenden Bosheit absolut homogen aus und zeigt auch nicht den geringsten Hoffnungsschimmer. Tu' ich's oder tu' ich's nicht?

OK, ich tu's. Ich gehe wählen und schaue dann noch mal zum Himmel. Ich war um 8:40 der neunte seine staatbürgerliche Pflicht wahrnehmende Wahlkreisangehörige. Es regnet noch immer. Es kommt ganz sicher niemand zum Startpunkt. Aber wenn jeder Rausfahrer so denkt, hätte ich die Gelegenheit, das zu überprüfen. Regen? Tatsächlich, es regnet immer noch. Prophylaktisch wurde die Hose frisch gefettet, der von der letzten Endurotour verbliebene Dreck von den Stiefeln gemeißelt und die Thermo-Goretex-Handschuhe herausgesucht, die damals im Frühjahr in irgendeiner Ecke verschwanden.

Noch 30 Minuten. Ich werde ohnehin völlig alleine am Startpunkt Süd stehen, brauche deshalb nur die 5 km hin und die 5 km zurück fahren, kann dann aber für mich verbuchen, der einzige "wirkliche" Motorradfahrer zu sein, der selbstverständlich freiwillig und im Nieselregen auf einer alle Feuchtigkeit dieser Welt an den Fahrer heranlassenden XT die Herbststimmung genießend 150 km nach Cottbus und zurück abgespult hätte. Es kann nix besseres geben (hoffentlich ist wirklich niemand da!). Also los!

Au weia! Nicht nur 2 harte Crosser, sondern auch die Mutmachende Abfahrstimmungunermüdliche Angelika stehen mit ihren Stollenkrädern im Regen neben der gigantischen Pfütze. Na schön, jetzt gibt es kein Kneifen mehr. Solidarischer (oder neugieriger?) Besuch kam in Form eines Rausfahrers in seiner Dose. Er durfte aber nicht mit.

Los geht's in die dicke Suppe. Von vorne nieselt's aufs Visier, von innen beschlägt es, von unten spritzt das Wasser, läuft in die Stiefel und die Finger melden: "Im Bett war es wärmer!".

Es gibt nicht viele Gegenden in Deutschland, in denen man so viel abseits von befestigten Straßen zurücklegen kann. Wenigstens diese Attraktion haben Brandenburg und McPomm - wo wir schon auf Kurven verzichten müssen.

Bis Kummersdorf hatte das Wetter Gelegenheit, sich zu bessern. Es tat es. In Kummersdorf hatte das ewig geschlossene Museum Gelegenheit, geöffnet zu sein. Es tat es.

Das Museum, ein ehemaliger Konsum-Laden in der Konsum-Straße, wird von einem Verein betrieben, der die historische Bedeutung dieses Ortes und seiner Umgebung den seltenen Besuchern vermitteln will. Hier wurde seit Kaisers Zeiten ausprobiert, wie und womit man in Kriegszeiten den Das SchießplatzmodellGegner möglichst effektiv umbringen kann. Die zu testenden technischen Errungenschaften reichten von Gasmasken für Mulis über Lastwagen, für die eigens eine "Marterstrecke" gebaut wurde, über Kanonen bis zu den ersten Versuchen in Raketentechnik, die von Wernher von Braun hier unternommen wurden, bevor er sein Versuchszentrum in Peenemünde bekam.

Ein wesentlicher Teil des Geländes diente der Kalibrierung von Kanonen und Geschossen. Dazu wurden Beobachtungsbunker, Ziele (u.A. wurden Teile des Westwalls nachgebaut) und Gerüste gebaut, durch die die Granaten abgefeuert wurden. Im Gerüst waren Hochgeschwindigkeitskameras befestigt, die Aufschluss über den Zusammenhang von Flugbahn, Gewicht, Form, Ladung und Wetter geben sollten. Auf dem im Modell nachgebauten Gelände kann die Anordnung betrachtet werden.

Pioniere trainierten hier auch die Konstruktion von Brücken über künstlich angelegte Seen. Bei Sperenberg soll solch eine Brücke nicht ganz perfekt gewesen sein. Die Eisenbahnbrücke stürzte ein und auf dem Grund des Sees soll noch heute eine Dampflokomotive liegen. Niemand traut sich, das Gerücht zu überprüfen, denn der ganze See ist munitionsverseucht. Vielleicht gibt es auch eine andere Art von verseuchung. Hier sollen während des 2.Weltkriegs Experimente mit Uran stattgefunden haben. Siehe Link unten.

Aus diesem Grund ist das Betreten streng verboten. Der Kummersdorfer Verein bietet aber geführte Touren auf das geheimnisvolle Areal an. Anmeldung und Infos gibt es beim im Museum, das jeden 2. Sonntag geöffnet hat (gerechnet ab 10.10.99)

Seit dem 2. Weltkrieg bis 95 benutzte die sowjetische Armee das Gelände als - wie es heute heißt - Logistikzentrum.

Weiter ging es über legale Wald- und Wiesenwege in die Nähe von Bornsdorf. Am Bahndamm im NieselregenInmitten einer parkähnliche Landschaft steht dort eine Burgruine, was für märkische Verhältnisse sehr überraschend ist. Daneben wird gerade ein Burgturm restauriert.

Gefahren lauerten überall. Liebestolles Rotwild raste überall durch den Wald und blind über die Pisten - fast hätte es Dieter von der KTM gefegt. Auf Obstbaumalleen bemühte sich das glibschige Fallobst, uns zu Fall zu bringen. Die Natur ist erbarmungslos, bietet aber in dieser Gegend eine einfach großartige hügelige Landschaft und wunderschöne Alleen, die sich bis heute ungepflastert Rehwechsel!erhalten haben.

In Fürstlich Drehna im Gasthof zum Hirschen direkt neben dem Eingang zum fürstlichen Grundstück lässt es sich in einer rustikalen Gaststube trefflich speisen. Die Bedienung war nicht aufs Maul gefallen und so umsichtig, dem Koch trotz Küchenschluss das Gehen zu untersagen, weil wir schon beim Reinkommen so hungrig aussahen. Was folgte, war eine Völlerei - so hervorragend war das Essen. Der Hirsch wurde vor wenigen Jahren im alten Stil restauriert. Der Veranstaltungsraum erinnert an das innere eines großen Holzschiffs. Der Erbauer des Gasthofs kam aus Bremen und wollte sich wohl durch den Bullaugenstil an seine seefahrerische Vergangenheit erinnern. Vier Helme mit 3 Fliegen werden somit verliehen.

Mit viel zu vollem Magen quälten wir uns auf die hochbeinigen Enduros und bratzelten am Tagebauloch entlang noch etwas südöstlich, dann über Calau und die B96 Richtung Berlin.

   - Peter G


Linktips


Die Tour im Detail: B101 Heinersdorf - Großbeeren - am Nuthegraben entlang über die Autobahn bis Thyrow, Nunsdorf über den Saalower Höllenberg nach Kummersdorf - Kummersdorf Gut - Petkus - südöstlich nach Buckow - Glienig - Görsdorf- Wildau - Pitschenpickel (!) - Uckrow - Langengras - Neumühle - Gehren - Bornsdorf - Weißack - Gahro - Crinitz - Drehna - Craupe - Kemmen - Weißag - Buchwäldchen - Calau


THE END
Home