Das Motorradmuseum in Potsdam-Rehbrücke


Wer Herbert Schmidt so zuhört, denkt erst einmal so etwas wie "na, ob das alles stimmt?" Aber dann präsentiert er hinter dem zweigeschossigen Ausstellungsgebäude einen armseligen Haufen Schrott. Jeder andere würfe das noch nicht einmal weg, sondern wartete die paar Tage, bis das von selbst zerbröselt, sich in kleine Rostflöckchen auflöst. Aber für Herbert Schmidt, selbst ein Baujahr 1934, ist das bald wieder ein komplettes, fahrfähiges Oldtimer-Motorrad. Das behauptet er, und dann guckt er ganz verschmidtzt, sozusagen. Und irgendwie glaubt man ihm.

Denn die 80 Motorräder, die er in seinem kleinen Museum vorweisen kann, waren bestimmt nicht alle in diesem Zustand, als er sie bekam, das wäre unwahrscheinlich. Und dann die Fotos, die an den Tafeln vor den Schmuckstücken klemmen, sie zeigen völlig abgewarzte Grotten, die eben kaum eine Ähnlichkeit mit den heutigen Ausstellungsstücken haben. Zudem hat der Maschinenbauer sein Handwerk ab 1950 in der Lokomotivenschmiede Orenstein& Koppel in Babelsberg gelernt, und seit 1965 nennt er eine Reparaturwerkstatt für Bootsmotoren und -getriebe sein eigen. Überdies stehen nebenan, in anderen Werkstatträumen, zerlegte Fahrzeuge jedweder Art in jedem Zustand der Wiederherstellung. Kurz: Die Zweifel schwinden, und dennoch wäre er ein prima Fall für "Wetten Daß?"

Angefangen hatte alles nach dem Krieg, aus dem Mangel heraus. Da mußte halt gebastelt und improvisiert werden, wenn man ein Motorrad haben wollte. Um die 20 Gefährte brachte er zum laufen, dann reichte es für einen BMW Dixi. Mit den Motorrädern war dann Pause angesagt, bis 1977. Da begann alles von neuem, mit einer Bismarck-Saxonette aus dem Jahr 1938. Das Stück ist ihm praktisch so zugelaufen, und da er nicht akzeptieren kann, daß etwas nicht funktioniert, wurde das Teil schließlich einer kompletten Verjüngungskur unterzogen.

Jetzt strahlt sie wieder wie zu jener Zeit, da sie in Bergehof (Rheinland) hergestellt worden ist. Der 60 Kubik kleine Einzylinder-Zweitakter, der in der hinteren Radnabe nach links heraushängt, stammt von Sachs. 1,2 PS leistet das Motörchen, dann dreht es 3500/min. Daß die Bismarck aber zum Grundstock eines Museums werden sollte, war damals noch nicht abzusehen.

Doch dann kam eine historische Zündapp dazu, bald die nächste, und so steht die Modellpalette im Prinzip bis ins Jahr 1945 ziemlich komplett aufgereiht da. Natürlich sind auch noch ein paar jüngere Stücke des bayerischen Herstellers dabei etwa die Nachkriegs-KS 601 (bekannt als "Grüner Elefant") und ein paar spätere Mopeds. Aber Schmidts Stolz sind die frühen und raren Motorräder jenes Herstellers, der im ersten Weltkrieg Granaten-Zünder und andere Spreng-Apparate baute (daher der Name). Nach dem Krieg durfte Deutschland ja keine Rüstung mehr produzieren, da baute Zündapp ab 1921 eben Motorräder.

Die Z 22 zum Beispiel, die in jenem Jahr als erstes Modell herauskam, eine Einzylinder mit 211 Kubik und 2,25 PS bei 2600/min, sie lief immerhin auch schon 60 km/h. Dann die Versuche von Zündapp, in den Markt der Viertakter einzudringen. Da sind Modelle dabei, die nur in ganz geringen Stückzahlen gefertigt wurden, weil sie sich nicht durchsetzten. Und schließlich darf auch die vom Hubraum her größte Zündapp nicht fehlen, die 800er Vierzylinder-Boxer von 1935, mit 22 PS bei 4300/min. Die Kardanmaschine war immerhin 125 km/h schnell und berühmt für ihren seidigen Motorlauf. 1550 Reichsmark kostete sie damals. Das war viel Geld, wenn man berücksichtigt, daß man für einen Hunderter weniger schon einen Opel P4 erstehen konnte.

Auch die Victorias haben es Schmidt angetan. Die 500er Einzylinder aus dem Jahr 1904 etwa, oder die späteren, längs eingebauten Zweizylinder-Boxer. Nebenbei: aus ihnen entstanden vor nunmehr 75 Jahren die BMW-Boxer, denn BMW baute damals die Boxermotoren für die berühmte KR-Reihe von Victoria. Nur gab´s halt Probleme mit der Kühlung des hinteren Zylinders, und als eine weitere Leistungserhöhung verlangt wurde, stellte sich BMW quer, erst sich, wodurch der Victoria-Deal platzte, und dann den Motor. Max Friz hieß der BMW-Konstrukteur, der 1923 mit der R 32 aus der Not eine Tugend machte, die sich bis heute hielt.

So kamen Stück für Stück zusammen, auch die vier Kinder (drei Söhne), inzwischen 28 bis 41 Jahre alt, sammeln Motorräder. Sohn Klaus etwa nennt unter anderem eine ebenso voll restaurierte OD aus dem Jahr 1927 sein eigen. Das Fahrzeug wurde bei Willy Ostner in Dresden gefertigt und läuft heute noch mit seinen 20 PS 120 km/h. "Aber ohne meine Frau wäre das gar nicht zu schaffen, sie ist vor allem für die Lackierung zuständig", sagt Herbert Schmidt beim Anblick der sorgfältig grundierten Metallteile in der Bastelwerkstatt. Die 330 Kubik große Peugeot aus dem Jahr 1914 konnte in gemeinsamer Arbeit von "Grotte" zu "fabrikneu" in nur vier Wochen gewandelt werden.

"Naja, ich hab´ja hier auch alles, bis hin zur Drehbank, da kann man vieles selbst herstellen." Und was vor dem Verchromen präzise geschliffen werden muß, braucht dazu auch nicht weggegeben zu werden. Originalteile beschafft er sich so gut es möglich ist, über das Netz der Oldtimer-Freunde. Da sucht der eine für den anderen, man tauscht, gibt Tips.

Und dieses Stichwort führt geradewegs zum Motorclub Oldtimer Potsdam e.V., der im März 1981 gegründet wurde und dessen Gründungsmitgleid Kassenwart Schmidt - unter anderem - ist. In der DDR-Zeit wurde der Veteranen-Sport staatlich gefördert, allein schon Versicherungen waren günstig. Da konnte auch jemand mit sehr schmalem Geldbeutel mithalten. Heute besteht die Gefahr, daß jahrzehntelang gepflegte Stücke mit einem Schulterzucken verkauft werden, weil´s einfach zu teuer geworden ist. Insofern ist das Museum in der Scheune auf Schmidts Hof für einige Fahrzeuge von Vereinsmitgliedern eine sichere Unterkunft.

So, und hier müssen wir einfach Schluß machen mit der Geschichte. Vieles ist noch nicht gesagt worden, auch noch nichts über die Autos, den Ford Modell A und den EMW 327/2, zum Beispiel. Aber es soll ja auch etwas übrigbleiben für den Besuch in Bergholz-Rehbrücke.

Das Vereinstreffen findet an jedem dritten Donnerstag im Monat um 19 Uhr statt.

Linktip: Motoradmuseen auf Uschlas Bike Pages


Feedback Inhalt So stand es in TSP-Logo-Serie über Auto- und Motorradmuseen.
Der Autor hat den Klau freundlichst genehmigt.