Alpenstartseite Der Rausfahrer-Report

Rausfahrers go Alps 2000: Tag Vier

Kleine Straßen, Pasubio und chinesische Pizza

Der Tag fängt mit dem Morgen an! Nach dem obligatorischen gemeinsamen Frühstück brachten wir unseren Sturzkandidaten zum Bahnhof in Bozen. Er durfte noch ein letztes Mal die herrliche Bergwelt aus Pits Soziusperspektive erleben, die tränenreiche Verabschiedung fiel wegen Parkens im Halteverbot kurz aus. Schnell wieder heraus aus dem Verkehrsinfarkt in Bozen, zurück durch herrlichen Bergwald nach Steinegg.

Mangels anderer Vorschläge wurde Peter einstimmig (d.h., alle Stimmen außer seiner) zum Tourguide gekürt. Pit mit Tiger inner KurveEs folgten alle seiner Wunschstrecke über Passo Lavaze, Stadt Cavalese zum Passo Manghen. Zu letzterem führt eine sehr schmale und kehrenreiche Straße, anfangs durch dichten Nadelwald. Infolge des üblichen individuellen Tempos teilte sich das Feld in kleine Grüppchen, paarweise wurde nach oben geheizt. Der Wald ging in eine Hochalm über, den Kraftfahrer warnte das Schild nach §40 Nr. 140 "Tiere". Tatsächlich, links und rechts der Piste glotzten mehrere Milka-Lila-Laune-Kühe auf die vorbeibollernden Stadtmenschen. Netterweise blockierte keiner der Wiederkäuer die ohnehin knappe Fahrbahn, diese war jedoch fast flächendeckend mit den biologischen Hinterlassenschaften des Milchviehes bedeckt. Fladen aller Art und Größe, weich, mittelfest bis steinhart, ein Ausweichen fast unmöglich. Endlich bekam der Begriff "Kotflügel" seine entsprechende Bedeutung. Vorweg sei bemerkt, das die Fäkalsubstanz der Rindviecher im angetrockneten Zustand kärcherresistent ist. Viel Freude bereitet auch das Entfernen aus Kette und Reifenprofil. Aber als Berliner ist man das Rauspopeln von Hunde-A-A aus grobstolligen Winterstiefeln ja gewöhnt. Glücklicherweise rutschte keiner auf der Kuhpampe aus und stürzte, die Schweinerei hätte dem Betreffenden neben Spott auch noch eine temporäre Isolation eingebracht.

Auf der Passhöhe stand eine idyllische Bergbaude mit noch ländlichem, touristenarmen Charme, in der es nach Peters vollmundiger Ankündigung superleckere Landjäger geben soll. Dabei handelt es sich um kleine, staubtrockene Dauerwürste, eine Art Ziegenfleisch-BiFi. Das Ganze stilecht mit Roggenbrot auf Holzbrett garniert, Eingeborene nehmen dazu vermutlich irgendeinen Gebirgskräuterschnaps zur Neutralisation ein. Pit versuchte sich tapfer an diesen Würstchen, die anderen beließen es bei Cappucho und Kuchen. Während der eine Teil sich also an den Würsten verging, erstürmten Micha, Udo und Ralf den Berggipfel unter todesmutigem Selbsteinsatz. Runter ging's in wilder Hatz, dann ins Lavarone-Gebiet über das Kaisersträßchen, ein in den Fels gehauener Die unglaublichen, staubtrockenen Manghen-LandjägerWeg mit vielen kleinen Tunnels. Weiter zum Pasubio durchs einsame Tal zum Passo die Borcola, dort gab es einen alten Kalkbrennofen zu besichtigen. In einem in die Erde aus Feldstein gemauerten krugförmigen Ofen wurde aus dem in Massen vorkommendem Gips ungelöschter Kalk gebrannt (eigentlich verschwelt) und als Baumaterial verwandt. Für allgemeine Belustigung sorgte die Übersetzung der Erklärung ins Deutsche, in etwa auf dem Niveau einer taiwanesischen Betriebsanleitung für Radiowecker.

Die nächste Kurve wurde wohl irgendwie übersehen, jedenfalls fiel dem Micha auf dem geradeaus verlaufenden Schotterweg die Motó aus den Händen, der Kupplungshebel wurde um ein Drittel gekürzt, das linke Ochsenaugenblinklicht verlor ein Glas. Leider wurden diese ersten Anzeichen von völliger Entkräftung leichtfertig ignoriert, es kam, was kommen musste. Ein Wendemanöver später entglitt das Kraftrad wieder seiner Gewalt, fiel diesmal jedoch auf die rechte Seite. Aus Symmetriegründen wurde nun auch der Bremshebel auf Länge gekürzt, diese sportliche Handhebelstellung ist bei teuren Mountainbikes up to date. Das Geläster über all solche Peinlichkeiten hielt sich im übrigen in Grenzen, jeder zitterte, wann es wohl ihn erwischen würde.

Blick aus den FelslöchernIn Pian di Fugazze wurde getankt (Espresso und Benzina), die Rückfahrt auf nassen Straßen (feuchtwarme Luft auf kalte Straße) über Arsiero nach Trento vorgenommen. Dort fielen in den Fels gehauene Löcher ins Rausfahrerauge. Diese wurden angelegt, um in Sicherheit vor feindlichem Beschuss Munition und andere Vorräte zu den im Fels liegenden Geschützstellungen zu bringen. Einige der in den Berg getriebenen Stollen waren begehbar und wurden von Peter und Ralf inspiziert.

Bei Einbruch der Dunkelheit passierten wir etliche dunkelhäutige Straßenarbeiterinnen in auffälliger knapper Kleidung, die auf zahlungskräftige männliche Kundschaft warteten. Infolge der vorgerückten Stunde wurde ein Speiselokal in Bozen gesucht, beim Sturm auf ein Chinesisches Ristorante ging Pit im Verkehrsgetümmel verloren. Der Versuch, ihn telefonisch zurückzupfeifen, war etwas problematisch. Ralf hatte zwar seine Rufnummer, das Mobilteil litt jedoch just in diesem Moment an Saftlosigkeit. Also, Geräte auseinandergepopelt und die Simkarte mit Peter getauscht. Dann konnte endlich gemeinsam das italienische Nationalgericht Ente-Chop-Suey vertilgt werden.

Zurück in Steinegg erwarteten wir nach dem Genuss einiger Straßenstaubspülbiere die Ankunft des Rausfahrers Dieter, welcher nach einigen beruflich bedingten Umwegen über München und Salzburg zu uns stoßen wollte. Trotz mehrfacher Telefonate und Übermittlung der GPS-Daten fand unser Technikgenie ein Steinegg in Österreich. Nach Klärung des Missverständnisses rollte er Richtung Italien. Gegen 23.30 Uhr säuselte die VFR das erste Mal durch Steinegg, trotz rekordverdächtigem Sprint von Ralf hinunter zur Hauptstrasse war nur noch das Rücklicht zu sehen. Das wiederholte sich noch zwei mal, bis er endlich gestoppt und gemeinsam vom Mopped gehoben werden konnte. Nach 1140 km völlig fertig, bekam er noch einen Schinkenbrotteller, ein Bier und die obligatorische Backpfeife.


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